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Archiv-Artikel

Aussteigen light

Sabbatjahr für alle!

„Aussteigen, aber richtig“, verspricht einer unter vielen Ausstiegstiteln auf dem Büchermarkt. Der Ausstieg auf Zeit gehört heute zum guten Ton, und unter den neuen Yuppies, den Lohas, ist der Abflug in die Natur angesagt. Die „Ich bin dann mal weg!“-Mentalität hat Hochkonjunktur, und die Krise trifft uns da am schlimmsten, wo es um unsere Selbstfindung geht. Auszeit verbringt die Generation 30 +/– statt im Elternschaftsurlaub erst mal auf der Suche nach dem Ich auf den Kanaren oder als Weltenbummler in Indien.

Der Mensch ist ein Fluchttier, aber er liebt die Geselligkeit. In Zeiten der weltweiten sozialen Vernetzung muss man auch kein Hippie oder Eremit sein, um sich aus Berufsalltag und familiären Verpflichtungen zu verabschieden. In Foren wie dem „Aussteigertreff für Träumer und Realisten“(www.aussteigertreff.de.vu) tauschen sich Ausstiegswillige aus und motivieren sich gegenseitig: „Niemals die Hoffnung verlieren“ ist zum Beispiel Fabis gut gemeinter Rat an Träumer Olaf, der hin- und hergerissen ist zwischen Ausbildung, Eltern und dem Wunsch, einfach abzuhauen.

Im Gegensatz zum Träumer weiß der Realist, dass der Ausstieg geplant sein will. So halten Onlineratgeber praktische Tipps für Alltagsflüchtige bereit. Gewusst wie! Auf www.ratgeber-aussteigen.de empfehlen zwei Weitgereiste eine Checkliste: Von „Zeitpunkt und Dauer planen“ über „Vollmachten, Testament und Patientenverfügung hinterlegen“ bis hin zu „evtl. große Abschiedsparty feiern“ steht einiges auf der To-do-Liste und dem glorreichen Abgang zunächst im Wege. Und die Ausstiegsbürokratie wächst einem über den Kopf. Aber das ist der Preis der Freiheit.

Völlig ausgebrannt entkommt der Aussteiger schließlich seinem Büro-Ich und findet sein Sonne-, Sand- und Meer-Ich oder lebt in einer Jurte seinen Traum von einem selbstbestimmten Leben. Bis ihn ein neues Burn-out-Syndrom befällt: das finanzielle. Nach einer Runde Aussetzen ist die Zeit reif für den Wiedereinstieg. Oder man finanziert sich den nächsten Ausstieg mit einem neuen Bestseller. Etwa: „Erfolgreich im Ausstiegsalltag!“– das ist zumindest eine Überlegung wert.

Der Berg ruft, reif für die Insel bin ich auch, aber als Praktikantin muss ich erst mal den Einstieg schaffen. So lange vergnüge ich mich mit Claire Faýs originellem „Malbuch für alle, denen zum Aussteigen das Geld fehlt“ – einem liebevoll-komischen Buch zur Aufmunterung der Daheimgebliebenen.

SOFIA SHABAFROUZ