piwik no script img

Archiv-Artikel

China Trade in Ber Ling

Derzeit strömen Chinesen aus halb Europa nach Berlin, um hier Billigprodukte made in China anzubieten. Sie hoffen auf Impulse durch die EU-Osterweiterung. Konkurrenz für Vietnamesen

von MARINA MAI

Ende November eröffnet in Lichtenberg das erste chinesische Handelszentrum Deutschlands, ACM. Auf 29.000 Quadratmetern wollen Chinesen Textilien, Lederwaren und Geschenkartikel anbieten. „Die chinesische Exportwirtschaft boomt. Diese Waren werden dort billig produziert und von uns direkt vermarktet“, sagt Guan Hai Liu vom ACM-Vorstand. Deutschland hole damit eine Entwicklung nach, die in südeuropäischen Städten längst Realität ist. In Rom, Madrid und Bukarest gibt es bereits chinesische Handelszentren. Die Händler, die sich in Lichtenberg ansiedeln wollen, sind allesamt seit Jahren Auslandschinesen. Sie lebten bisher in Deutschland, Österreich, Spanien, Frankreich, Rumänien oder Italien und bringen von dort Erfahrung mit.

Wie man mit Behörden und Medien arbeitet, ist den Chinesen von ACM vertraut. Ihr deutscher Empfangschef platziert Besucher in den Büros an der Lichtenberger Vulkanstraße und bietet Mineralwasser und Schokolade an. Guan Hai Liu vom Unternehmensvorstand kommt und entschuldigt sich, dass der Firmenchef heute nicht persönlich empfangen kann. „Wollen Sie noch einmal wiederkommen oder mit uns zwei Vorstandsmitgliedern sprechen?“ Er lobt mit asiatischer Höflichkeit in fast akzentfreiem Deutsch Lichtenbergs Wirtschaftsstadtrat Andreas Prüfer (PDS) für dessen Interesse an dem China-Center.

„In Deutschland dominieren noch die großen Handelsketten“, sagt sein Vorstandskollege Yili Zillack, gebürtiger Chinese mit deutschem Pass. Viele Waren, die dort verkauft werden, kommen sowieso aus China. In Bukarest, wo Zillack von 1995 bis vor wenigen Monaten lebte, war das anders. „Dort haben die Einzelhändler die preiswerten Waren aus China direkt von uns bezogen, ohne dass die Handelsketten dazwischen geschaltet waren. Das Geschäft lief hervorragend“, schwärmt Zillack. Dass er dennoch nach Berlin zurückkehrte, wo er vor 20 Jahren Wirtschaft studierte und bis Mitte der 90er-Jahre als Unternehmer lebte, hat vor allem persönliche Gründe. „Ber Ling ist meine Heimat. Hier lebt meine Familie.“ Yili Zillack spricht den Stadtnamen chinesisch aus.

Doch auch rationale Überlegungen sprechen für das Engagement der Chinesen. „Mit der EU-Osterweiterung steht Berlin im Zentrum Osteuropas“, erklärt Guan Hai Liu. Deshalb sei es Zeit für chinesische Händler, in Berlin Fuß zu fassen. „Wir hoffen nicht nur auf Kunden aus Deutschland, sondern auch aus Polen und Tschechien.“ Für die sei der Weg nach Berlin doch kürzer als der nach Peking.

Doch der Run der Chinesen auf Berlin ist so groß, dass weitere Flächen in Lichtenberg und Marzahn anvisiert werden. Immobilienfirmen, die dort Gewerbeflächen vermarkten wollen, freuen sich über das plötzliche Interesse aus Fernost. „Sie können sich gar nicht vorstellen, was auf meinem Handy los ist, seit wir Anfragen nach einem weiteren Asia-Center an der Landsberger Allee in Lichtenberg ernsthaft prüfen“, sagt Hans-Jürgen Klemm, Sprecher der Firma Professor Greve.

Die Kehrseite: Die Chinesen bieten fast das identische Warensortiment an, mit dem in Berlin bislang vietnamesische Großhändler weit unprofessioneller und von der Mehrheitsökonomie abgeschottet handeln. Experten fürchten einen wirtschaftlichen Ruin der vietnamesischen Asia-Center, wenn es genug chinesische Konkurrenz gibt. Das könnte schon im nächsten Jahr der Fall sein. Doch dass die Vietnamesen, die aufgrund ihrer geringen Qualifikation und der schlechten Integration keine wirtschaftliche Alternative zur Selbstständigkeit haben, das Feld so kampflos räumen, ist schwer vorstellbar. „Wir müssen die Entwicklung im Auge behalten und rechtzeitig Konfliktmanagement betreiben“, sagt Ahmet Ersöz, der im Auftrag des Senats zugewanderte Gewerbetreibende berät. „Chinesisch-vietnamesische Konflikte können wir in Berlin nicht gebrauchen.“