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Archiv-Artikel

Anni zickt nicht mehr

Eisschnellläuferin Friesinger hat von der ständigen Auseinandersetzung mit Rivalin Pechstein die Nase voll und will sich nur noch aufs Sportliche konzentrieren. Dafür verzichtet sie sogar auf Geld

„Es gibt ja keine Frau, mit der sie auf gleichem Niveau trainieren könnte“

aus Erfurt FRANK KETTERER

Ein Versuch war es wert, und so hat ihn Zicke Nummer eins rechtzeitig zu Beginn der neuen Eisschnelllaufsaison einfach gewagt: Zu einer kleinen Pressekonferenz hatte Claudia Pechstein geladen, zunächst über dies und jenes geplaudert, um dann doch ohne weitere Umschweife zum eigentlichen Thema vorzustoßen. „Ich denke mal, dass das ganze Zickenduell gar nicht ins Rollen gekommen wäre, wenn Anni sich damals bei mir relativ schnell persönlich entschuldigt hätte. Aber das ist bis heute nicht geschehen“, ließ Vierfach-Olympiasiegerin Pechstein wissen, verbunden mit dem Hinweis, dass es schon deswegen ein für allemal dabei bleibe, auch in der neuen Saison: „Wir werden sicher keine Freunde werden.“

Der Versuch endete als Rohrkrepierer. Zwar drahtete die Deutsche Presseagentur die Nachricht „Pechstein fordert Friesingers Entschuldigung“ pflichtschuldig an die Sportredaktionen des Landes, den Zicken-Krieg aber konnte das nicht mehr neu entfachen. Das Thema ist durch – und außerdem: Für einen richtigen Zicken-Krieg bedarf es schon zweier Zicken.

Zicke Nummer zwei verdreht die Augen, wenn sie darauf angesprochen wird. „Die Konkurrenz lacht nur noch darüber“, sagt Anni Friesinger dann, und dass sie zu diesem Thema ansonsten gar nichts mehr sagen wolle, nur so viel noch vielleicht: „Das ist eine zwei Jahre alte Geschichte. Das hat mich lange genug belastet.“ Auch Klaus Kärcher sieht das so, auch ihn nervt das Thema sichtlich. „Das kostet doch nur Nerven“, sagt Friesingers Manager und zieht hastig an einer Zigarette. Und alles zusammengefasst klingt es so, als habe Zicke Nummer zwei keine rechte Lust mehr, eine Zicke zu sein.

Warum auch? Friesinger hat es – und das unterscheidet sie von Pechstein, ihrer Konkurrentin – kaum mehr nötig, sich derart ins Gespräch zu bringen – und zu vermarkten. „Anni sorgt auf dem Eis für Furore, andere brauchen andere Themen“, sagt Manager Kärcher, und was sich schon wieder wie ein kleiner Seitenhieb anhört, ist doch nichts anderes als: die Wahrheit.

Die sportliche Wahrheit sah in dieser Saison bisher so aus: Zwei Weltcuprennen gewann Friesinger bisher über die 3.000-m-Distanz, eigentlich Pechsteins Domäne, zweimal Zweite wurde die 26-Jährige über die 1.500 m, eigentlich ihre Domäne, jeweils geschlagen von der Amerikanerin Jennifer Rodriguez. „Jennifer ist derzeit einfach super in Form“, sagt Friesinger, wirklich nervös aber macht sie das nicht. Denn zum einen ist die Saison noch lange genug, um die Dinge wieder gerade zu rücken, zum anderen will Friesinger ihre Höchstform ohnehin erst Anfang Februar erreichen, wenn in Hamar die Mehrkampf-WM übers Eisoval geht. „Wer den Mehrkampf-Titel holt, ist die Königin des Eisschnelllaufs“, sagt Friesinger. Zweimal, 2001 und 2002, war sie es schon, Anfang diesen Jahres musste sie krankheitsbedingt absagen. Nun, 2004, will sie ihre Krone zurück.

Die Chancen dafür scheinen schon jetzt nicht schlecht. Erstmals seit langem ist die 26-Jährige aus Inzell beschwerdefrei durch die Vorbereitung gekommen. „Kein Zipperlein, keine Grippe, kein nix“, sagt Friesinger – und man kann sehen, welch gute Laune ihr das macht. Gesteigert wird dieses neue Wohlbefinden durch den Ausbau des eigenen Teams. Schon letzte Saison hat Friesinger in einer Gruppe mit dem Russen Juri Kohanets, dem Italiener Gino Gillarduzzi sowie ihrem Bruder Jan trainiert, in diesem Jahr kamen noch die Holländerin Barbara de Lors, das deutsche Talent Gabi Hirschbichler sowie ihre Schwester Agnes hinzu; gemeinsam trainieren sie am Olympiastützpunkt Inzell unter Friesinger-Trainer Markus Eicher; gerade das tägliche Üben mit den Männern scheint ein Schlüssel zum Erfolg. „Es gibt ja keine Frau, mit der sie auf gleichem Niveau trainieren könnte“, sagt Kärcher.

Der Manager gerät nahezu ins Schwärmen, wenn er erzählt, wie fein seine Anni sich die Dinge eingerichtet hat, und das auch noch ganz alleine. „Sie hat das Team aufgebaut. Und sie ist die sportliche Direktorin“, sagt Kärcher. Vor allem aber: Sie hat die wirtschaftlichen Voraussetzungen mitgebracht, um den Trainingsverbund dauerhaft beisammenhalten zu können: Der italienische Automobilhersteller Lancia, bisher Friesingers exklusiver Hauptsponsor, ist nun auch Geldgeber fürs Team; neben einem Fahrzeug erhalten die Sportler laut Kärcher „erfolgsbezogene sowie Basisunterstützung“. Als Gegenleistung steht Friesinger den Italienern als adrette Werbefigur zur Verfügung.

Natürlich, daraus macht Kärcher kein Geheimnis, bliebe der ein oder andere Euro mehr hängen, wenn er Friesinger auch weiterhin als Einzelsportlerin vermarkten würde, und eben nicht im Pack. Andererseits seien diese finanziellen Abstriche als „Investition für die Zukunft“ zu sehen. „Es geht darum, ein Umfeld zu schaffen, in dem es Anni dauerhaft möglich ist, Weltklasse zu produzieren“, sagt Kärcher, und das sei nun mal die Trainingsgruppe. „Anni ist nur so gut wie ihr Team“, sagt Kärcher. „Deshalb ist ihr auch Harmonie im Team das Wichtigste.“ So richtig nach Zicke klingt das nicht.