: Auslaufmodell der Liebe
Das geheime Tagebuch der Carla Bruni. Heute: Das Mädchen mit den Schaufelhänden
Mon cher journal intime …
Montag, 6. April
Oh, liebes Tagebuch! Oh! Oh! Oh! Ich werde Nici verlassen. Ich lass gerade seine Sachen packen. Erst hatte ich schon angefangen, meine in die Taschen zu stopfen, aber dann fiel mir ein, dass dies ja meine Wohnung ist. Mit seinen dummen Ohrensesseln all überall, sieht es hier schon aus wie in seinem Schrottpalast. Egal. Ich bin so sauer! Ich bin so, so sauer! Dieses Mal ist er zu weit gegangen. Einfach zu weit. Ich lass mir ja eine Menge gefallen und ich weiß, dass er mich als Präsentationspüppchen und als Charmeoffensive braucht und einsetzt. Da hat er nie einen Hehl draus gemacht. Er wäre nie so weit gekommen, ohne mich. Ganz nach oben, mit seinen kurzen Beinchen. Ganz Europa wäre nicht so weit gekommen, wenn ich nicht mit meinem Esprit und meinem fulminanten Geistescharme den eigentlichen Teil der Arbeit gemacht hätte. In England, im Waisenhaus, auf den Empfängen. Aber, was er sich nun geleistet hat, das geht über jedes Maß hinaus. Durch einen Zufall, einen klitzekleinen Zufall habe ich das überhaupt erst mitbekommen. Also: Während unsereins, das gemeine Wahlvolk, meint, die Staatsjungs und das Märkel-Mädel hätten beim G-20-Gipfel hart um Einigung gerungen, haben die Quartett gespielt! Und zwar ein „First-Lady-Quartett“. Alle Gattinnen und der Gender-Irrläufer Jojo Sauer mussten als Quartett-Karte herhalten, mit den entsprechenden Angaben und Punkten von 1 bis 10. Schuhgröße war so eine Angabe, Raffinesse, Sex-Appeal, Kinder und Einfluss auf den Ehemann. Ganz klar, dass die Frauen aus den Billigländern wie Mexiko und Südkorea zu den Loser-Karten gehörten und natürlich auch ganz klar, dass Obama-Mama und ich die Trümpfe waren. Wer uns auf der Hand hatte, hatte schon fast gewonnen. Und so haben die Kerle und das Walross da stundenlang in London gesessen und mittels des Turniers entschieden, wer die Krisenstrategie bestimmt. Nici versteht überhaupt nicht, dass mich das so aufregt. „Schließlich“, so argumentiert er, „war deine Karte die heißeste. Die einzige mit Nacktfoto!“ Und die Punktezahl von mir und Michelle sei in der Summe auch identisch. Aber, und jetzt kommt das große Aber, bei der Rubrik „Zukunftstauglichkeit“ hat die alte Presswurst 10 Punkte und ich 8,5! Nicht nur, dass die Klatschpresse mich als Abwrackkandidatin fertig macht, ich werde auch auf politischer Ebene als Auslaufmodell gehandelt! Nun magst du, liebes Tagebuch, sagen, nur weil Nici da mitgespielt hat, dürfe ich nicht so hart mit ihm sein. Ja, wenn es das nur wäre! Aber der Vorschlag, die Entscheidungsbefugnis ausspielen zu lassen, das war seine Idee! Er hat das Kartenspiel samt Punkteangaben in Auftrag gegeben! Er hat jetzt ein paar Tage Zeit, sich in seinem schicken Palast Gedanken darüber zu machen, was ich ihm bin und wie er mit mir umzugehen gedenkt. Ich habe nicht vor, vor Donnerstag mit ihm zu sprechen.
Dienstag, 7. April
Dieses Erdbeben in Italien hat mich zutiefst erschüttert! So viele Menschen tot, so viele obdachlos – das ist ein Moment, der spürbar macht, wo die Heimat ist. Dort, wo das Herz ist. Bei den Menschen, die aus dem gleichen Land kommen wie ich. Die die gleichen Tomaten essen und den gleichen Wein trinken. Wenn sie es sich leisten können. Und nun das, so viel Leid! Ich überlege, ob ich spontan hinreise. Einfach helfen. Ich. Mit meinen bloßen Händen anpacken. Nicht Ehefrau sein, nicht Stilikone oder Première Dame, sondern Carla, das Mädchen mit den Schaufelhänden. Dann müsste ich mich auch nicht länger fragen, was ich auf Erden soll. Ich würde einfach etwas tun. Teil einer Masse sein, die eine Bestimmung hat. Ich werde George, meinen Sekretär, anrufen und prüfen lassen, was die nächsten Tage ansteht. Vielleicht kann ich ja fahren.
Mittwoch, 8. April
Habe noch nicht wieder mit Nici gesprochen. Das tut gut. Endlich mal Ruhe. Da merke ich erst, wie viel er spricht, wenn er mal nicht spricht.
Donnerstag, 9. April
Ich bin außer mir! Ich bebe vor Wut! Berlusconi, dieser Hirnamputant hat doch allen Ernstes zu meinen Landsleuten, zu denen, die alles verloren haben, die nun in Zelten hausen müssen, gesagt, sie sollen es wie ein Camping-Wochenende nehmen. Ich verstehe einfach nicht, wie ein Volk sich so etwas bieten lassen kann. Warum erschießt den keiner? Wo sind eigentlich die Roten Brigaden, wenn man sie mal braucht?
Samstag, 11. April
Oh, Herr im Himmel, sind in meinem Land eigentlich nur Schwachköpfe am Werk? Erst Berlusconi, dieser Nudelochse, nun auch noch der Papst! Hat 500 Ostereier ins Erdbebengebiet schicken lassen. 500. Ist das jetzt eine pädagogische Maßnahme, damit die Kinder mal lernen, was Entbehrung heißt, wenn sie sich mit 20 Blagen ein Ei teilen?!! Lieber Gott, ich verstehe ja, dass du um Ostern herum mit der ganzen Auferstehung ziemlich viel zu tun hast. Aber wäre es nicht vielleicht eine Maßnahme, dem Papst mal etwas weniger Geist und dafür mehr Hirn zu schicken? Ich werde mich dieser Ignoranz jedenfalls nicht anschließen. Ich habe angeordnet, 50.000 Eier nach L’Aquila bringen zu lassen. Dann erspare ich es mir auch, selbst zu fahren. Das passt ganz gut, ich habe nämlich am Dienstag einen Termin bei meinem Schneider.
SILKE BURMESTER
Das gesamte geheime Tagebuch der Carla Bruni auf www.taz.de/bruni