Umsetzungsprobleme beim Klimaschutz

Zuteilung der CO2-Verschmutzungsrechte verzögert sich. Amt hofft aber auf pünktlichen Start des Börsenhandels

BERLIN taz ■ Die Chefs der Emissionshandelsstelle im Umweltbundesamt (UBA) hatten geahnt, dass viel Arbeit auf die neue Behörde zukommt. Akademikerinnen mit familienbedingtem Teilzeitwunsch mussten draußen bleiben, auch wenn die Stellenanzeigen anderes verkündet hatten. Dennoch haben es die 90 Beschäftigten nicht pünktlich geschafft: Die Unternehmen bekamen die Bescheide, wie viel des Treibhausgases CO2 sie künftig in die Luft pusten dürfen, nicht wie geplant gestern. Sie müssen noch „einige Wochen“ warten. Der Grund: zu kurze gesetzliche Fristen und ein kompliziertes Antragsverfahren.

Der Börsenhandel mit den CO2-Rechten soll dennoch pünktlich zum 1. Januar 2005 beginnen, heißt es im UBA. Die Macher sitzen längst am Start. Die Strombörse European Energy Exchange (EEX) in Leipzig verspricht sich ein lukratives Geschäft. „Das CO2-Zertifikat ist ein zusätzliches Produkt auf dem Markt. Viele Energieunternehmen und Banken schicken Vertreter auf unsere Infoveranstaltungen“, sagt Albert Moser, Produktentwickler bei der öffentlich-rechtlichen EEX. Es geht um große Summen: 495 Millionen Tonnen CO2-Verschmutzungsrechte jährlich werden bis 2007 in Deutschland ausgeteilt. Das entspricht 2,91 Prozent weniger CO2, als derzeit ausgestoßen wird – und damit fast den Klimaschutzzielen von Kioto.

Seit letzter Woche veröffentlicht EEX den Referenzpreis pro Tonne CO2 im Europahandel, gestern stand er bei 8,76 Euro. Der Preisindex besagt, was große europäische Energieunternehmen jetzt schon in langfristigen Lieferverträgen außerhalb der Börse für die Emissionsrechte zahlen. RWE Trading und Vattenfall sind dabei, auch Energieriese Eon steht dem Handel „grundsätzlich positiv“ gegenüber.

Anders ist das in der Industrie, zum Beispiel in der Zement- und Stahlbranche. „Wir haben in den letzten Jahren viel getan, um unsere Abgase zu minimieren. Wir können nichts mehr einsparen, außer wenn wir die Produktion herunterfahren“, klagt Bernd Gersdorff, Pressesprecher der Salzgitter AG, des zweitgrößten Stahlkonzerns in Deutschland. Wenn die Emissionshandelsstelle die Einsparbemühungen als so genannte „early action“ anerkennt, brauchen die Firmen ihre Emissionen nicht zu mindern. Andernfalls aber müssen sie CO2-Rechte dazukaufen oder pro Tonne Mehrausstoß 40 Euro Strafe zahlen.

Der Weltkonzern HeidelbergCement ist über die drohenden Einschränkungen so verärgert, dass er gegen den Emissionshandel klagt – bis zum Bundesverfassungsgericht. Sein Argument: Die unbefristete Betriebsgenehmigung für die Zementfabriken gelte auch für die Emissionen. Der baden-württembergische Energiekonzern EnBW klagt in Brüssel, weil er sich benachteiligt sieht. Zudem rechnet die staatliche Emissionshandelsstelle mit reichlich Widerspruch gegen ihre Bescheide – denn jeder will möglichst viele CO2-Rechte haben. Etwa 500 der rund 2.250 eingegangenen Anträge drängen auf die Härtefallklausel. „Die gilt aber nur für ganz wenige“, stellt Hans-Jürgen Nantke, Leiter der Stelle, klar.

Wenn das CO2-Zertifikat im Handel teuer ist, wächst der Druck, in abgasarme Anlagen zu investieren. Sind die CO2-Preise im Keller, bleibt es eher bei den Dreckschleudern. Und dann erwägt Greenpeace, dem Markt auf die Sprünge zu helfen. Denn jeder kann Emissionsrechte kaufen, nicht nur Unternehmen. „Wenn die Zertifikate unverschämt billig sind, ist das denkbar“, meint Greenpeace-Klimaexperte Karsten Smid. Bei einem CO2-Preis um die 10 Euro pro Tonne wäre ihm ein Großeinkauf aber viel zu teuer. „Eine Aktion gegen die Schmutzfinken bewirkt mehr und kommt uns billiger, selbst wenn wir dafür eine Geldstrafe hinnehmen müssen“, sagt Smid.

BEATE STRENGE