: „Ich wollte nie nach Amerika“
Vorm, im und gegen den Nationalsozialismus: Eine Filmreihe zum Cinegraph-Kongress im Metropolis
von Christiane Müller-Lobeck
An einen Freund schrieb Gregor Rabinowitsch 1940 aus dem Exil: „Ich wollte nie nach Amerika gehen, weil ich lieber in Europa gearbeitet habe. Und hier steh‘ ich jetzt: Alle Pläne, einfach alles ist gescheitert. Wohin wird mich mein Weg jetzt führen? Keiner von uns weiß, was geschehen wird. Werden wir die Möglichkeit haben, zu arbeiten?“
Ganz so düster sah es für Rabinowitsch nicht aus. Wie sein Kollege Arnold Pressburger konnte er sich wenig später in Hollywood als unabhängiger Produzent etablieren. Und in seiner Pariser Zeit hat er unter anderem den unvergesslichen Film Hafen im Nebel (1938) möglich gemacht. Marcel Carnés stilbildendes Sozialdrama um einen Deserteur (Jean Gabin), der von Le Havre aus zu flüchten versucht, ist jetzt im Rahmen der Filmreihe zu sehen, die den jährlich von Cinegraph ausgerichteten filmhistorischen Kongress begleitet. Der steht diesmal im Zeichen der verzweigten Geschichte der Produktionsfirmen von Pressburger und Rabinowitsch.
Mit der Cine-Allianz Tonfilm GmbH hatten Pressburger und Rabinowitsch zwischen 1932 und 1935 in Berlin erfolgreich ihre jahrelangen Bemühungen fortgesetzt, sich gegen nationale Beschränkungen zu stemmen, die der Tonfilm anfänglich mit sich brachte: durch eine internationale Besetzung ihrer Filme und Mehrsprachenversionen. Doch die NS-Presse denunziert die Firma bald als mit Juden und Russen „überfremdet“. 1935 wurde sie auf Druck der Reichsfilmkammer in eine Liquidationsgesellschaft überführt und zwei Jahre später endgültig enteignet. Unter demselben Namen produziert die UFA später propagandistische Unterhaltungsfilme. Wunschkonzert (1940) oder Sechs Tage Heimaturlaub (1941) zeigen, wie mit den Mittel von Sangeskunst, Komödie und Melodram auf einen unbedingten Opferwillen eingeschworen wurde.
Rabinowitsch und Pressburger machten sich derweil im Ausland um den antifaschistischen Film verdient. So suchte Pressburger dem bedrängten Humanismus unter die Arme zu greifen: Bereits in Hollywood produzierte er 1942 Hangmen Also Die!, eine Verfilmung der Geschehnisse um das Heydrich-Attentat in Prag unter der Regie von Fritz Lang. Am Drehbuch strickte Bertold Brecht mit, die Musik steuerte Hanns Eisler bei und Alexander Granach spielte eine Rolle. Die Produzenten waren auch als Arbeitgeber für manch anderen Exilierten von Bedeutung.
Granach hatte bereits 1930/31 in der Pressburger-Produktion Danton als Marat mitgewirkt, neben Gustaf Gründgens, der an seinem Robespierre den Gockel herausspielte, Gustav von Wangenheim als Desmoulins und einem verschmitzten Fritz Kortner in der Titelrolle. Während Gründgens bekanntermaßen eine „deutsche“ Karriere wählte, führten Granachs und Kortners Wege nach New York, von Wangenheim dagegen migrierte in die Sowjetunion.
Als frühesten Film und einzigen stummen hat Cinegraph den von Rabinowitsch noch in Wien produzierten Historienfilm Die Sklavenkönigin von 1924 ins Programm genommen. Die biblische Film-Erzählung vom Auszug der Israeliten aus Ägypten besticht durch aufwendige Bauten und Kostüme, Originalschauplätze sowie eine riesige Komparserie. Und die Trickaufnahmen, etwa wenn das Meer sich für die Flüchtenden teilt, konnten seinerzeit eine US-amerikanische Verfilmung der Zehn Gebote locker ausstechen.
Eröffnung mit Ein Lied für dich, heute, 19.30 Uhr; Hafen im Nebel, Fr, 17 Uhr; Sechs Tage Heimaturlaub, Fr, 19 Uhr; Hangmen Also Die!, Fr, 21.15 Uhr; Die Sklavenkönigin (mit Klavierbegleitung), So, 11 Uhr; Wunschkonzert, 17 Uhr; Danton, So, 21.15 Uhr, Metropolis; weitere Filme siehe www.cinegraph.de