: Chaos geht weiter
Kita-Träger fordern Bewilligungs-Stopp zu beenden. Neues Kita-Loch nach Tagesmütter-Urteil? Streit zwischen Trägern und FamilienPower
von KAIJA KUTTER
Eltern mit einem ordentlich geführten Archiv zu Hause dürften noch die Info-Broschüre von Kita-Amtsleiter Jürgen Näther finden, die Anfang Februar 67.000fach an Hamburgs Familien verschickt wurde. Darin steht, allen berufstätigen Eltern, die bereits einen Kita-Platz haben, werde im Gutscheinsystem unter Priorität 4 die Fortsetzung der Förderung „garantiert“. Das gleiche gelte für die Prioritäten 1 bis 3, dringender sozialer Bedarf, Arbeit nach Sozialhilfe und Sprachförderung vor der Schule.
Doch wie die taz berichtete, liegen in den Bezirken mehrere tausend Gutscheine der Prioritäten 1 bis 4 bereit, die bewilligt sind, aber nicht verschickt werden dürfen. Die Wohlfahrtsverbände und die Vereinigung der Kindertagesstätten forderten gestern eine Aufhebung dieses Stopps. Hatte eine Umfrage in ihren Kitas doch ergeben, das so bis Jahresende gar 4.100 Eltern davon betroffen sind.
Statt der Gutscheine erhalten sie nur „Antragseingangsbestätigungen“, kurz AEBs, die die rückwirkende Finanzierung „sobald entsprechende Mittel verfügbar sind“ in Aussicht stellen. Doch diese AEBs bergen das Risiko, dass die Eltern auf den vollen Kosten der Kita-Betreuung sitzen bleiben. Tritt dies ein, fällt Weihnachten für diese Familien aus.
Elimar Sturmhoebel vom Wohlfahrtsverband „soal“ hält es für denkbar, dass Eltern mit Verweis auf die obige Garantie vor Gericht ziehen. Generell kann man aber auch in Trägerkreisen nicht glauben, dass die Stadt die Eltern wirklich auf den Kosten sitzen lässt. Der in wenigen Tagen ernannte Nachfolger von Bildungssenator Rudolf Lange (FDP) hätte dann einen miesen Start.
Unterdessen hat die Bildungsbehörde noch keine Gewissheit über die tatsächlichen Ausmaße des Kita-Lochs. Zwar liegt seit Freitag ein externes Gutachten vor. Doch wachsen könnte die Lücke nach einem neuen Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG). Dieses hatte entschieden, dass Eltern, die ihr Kind bei einer staatlich geförderten Tagesmutter untergebracht haben, ebenfalls der Priorität 4 zuzuordnen sind, wenn sie einen Kita-Schein wollen. Bislang haben zehn Eltern dies eingeklagt. Insgesamt gibt es in der Stadt aber 5.209 Kinder in Tagespflege. Der Umweg über die Tagesmutter ist ein Schlupfloch im Gutscheinsystem. Dafür, das Eltern solche Winkelzüge gar nicht nötig haben, steht das Volksbegehren der SPD, das bereits 10.000 Leute unterzeichnet haben.
Derweil entbrennt in der Stadt ein Streit zwischen Trägern und dem Elternverein „FamilienPower“. So warnte Sturmhoebel gestern vor einer „höchst unfachlichen Debatte“ über Kita-Kosten. Die Behauptung des Vereinschefs Matthias Taube, das Kita-Loch sei entstanden, weil die Träger bei den „Leistungsvereinbarungen“ zu viel verlangt hätten, sei „ärgerlich“. Tatsächlich seien hier neue Entgelte vereinbart worden, die berücksichtigen, dass die Träger zu 100 Prozent das Risiko tragen und in einem größeren Zeitfenster eine gute Betreuung anbieten. Außerdem seien bei Hort- und Halbtagskindergärten Standards verbessert worden, die vorher „ultra schlecht“ waren.
Taube bleibt indes bei seinem Standpunkt und ist bereit, einen öffentlichen Streit mit den Trägern zu führen. In den Vereinbarungen zwischen Trägern und Stadt, so moniert er, sei zudem eine Qualitätssicherung „nirgendwo zu erkennen“.