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Archiv-Artikel

Und gülden blinkt das große „I“

Das Bremer Focke-Museum fördert in der Sonderausstellung „Archäologie des Mittelalters in Bremen“ auch die Geschichten in der Geschichte zu Tage

Daubenschalen haben‘s gut. Nicht nur, dass sie DER Essnapf des Mittelalters waren, sie fielen den Bremer Tagelöhnern des 13. Jahrhunderts auch just in einem Moment vom Tisch, da die Natur am Boden Feuchtsedimente bereithielt. Da lagen sie dann und lagen und gammelten nicht, denn Feuchtsedimente konservieren. So gut, dass die Daubenschalen vom Grütze-Behältnis zum veritablen Archäologen-Fundstück aufsteigen konnten.

Dabei ist die Daubenschale nicht allein: Wein- und Bierfässer, Scheren, Schuhe, Schwerter, das Best Of Bremer Alltagsgegenstände zwischen dem zehnten und dem fünfzehnten Jahrhundert ist ab heute in der Sonderausstellung „Archäologie des Mittelalters in Bremen“ im Focke-Museum zu sehen.

Die Ausstellung gliedert sich in drei Bereiche: Am Anfang kommt ein 50 Meter langer, dunkler Gang, in dem kleine Gucklöcher den Blick auf einzelne Exponate lenken. Die Löcher sind in unterschiedlicher Höhe platziert und zwingen die Besucher, auch mal in die Knie zu gehen – die Ausstellung beginnt mit der Archäologen-Perspektive. Analog zur „Grundidee, dem Besucher ein Gefühl dafür zu geben, wie Archäologie funktioniert“, so Focke-Direktor Jörn Christiansen, der die Schau zusammen mit dem Landesarchäologen Manfred Rech konzipierte.

Um rauszukriegen, was da genau durch‘s Guckloch zu sehen war, kann der Besucher in Bereich Zwei alle Exponate nochmal von Außen begutachten. Schön mit Vitrinen, Infos zu archäologischen Arbeitsmethoden und Texttafeln zu Themen wie „Spiele und Spielen“ oder „Zeichen der Heilssuche“.

Der modernste Teil der Ausstellung besteht dann aus Monitoren, die einen virtuellen Rundgang durch das mittelalterliche Bremen ermöglichen: Ego-Shooter-mäßig lenkt man eine Figur durch Straßen, Gassen und Märkte, kann in Hütten schauen und auf die Weser, und wird bei allem begleitet von einem Soundtrack aus Insekten-Brummen, Marktgebrabbel und Schweinsgrunzen. Medial konditioniert rechnet man ganz selbstverständlich mit dem Angriff einer Killer-Wildsau, aber der bleibt aus – keine Action, und von der Brücke kann man auch nicht springen. Stattdessen kommen gülden blinkende „I“s des Wegs und bieten Texttafel-Information, wenn man sie pflügt. Man habe mit der Computerfirma eng zusammengearbeitet, so Christiansen, um sicher zu gehen, dass die virtuellen Gimmicks Sinn machen – digital im Dienst der Ausstellung.

Soweit, so ambitioniert – nur: Gibt es tatsächlich ein Publikum für das Thema „Mittelalter in Bremen“? „Das Potenzial ist da“, sagt Landesarchäologe Rech. „Wir haben bei der Marktplatzgrabung im Sommer 2002 gesehen: Die Leute kamen zu hunderten und wollten alles haarklein wissen.“ Seinerzeit gab es kurz die Debatte, ein bisschen Grube zu erhalten und durch eine Plexiglasscheibe dauerhaft Einblick in Bremens Geschichte zu gewähren. An diese Schaufenster-Idee möchte Christiansen anknüpfen, nur dass das Schaufenster eben das Focke-Museum geworden sei. Darüberhinaus wolle man zeigen, dass das Mittelalter nicht nur „dunkle Unkultur“ bedeute, sondern auch „hochartifizielle“ Gegenstände hervorgebracht habe.

Wie beispielsweise die kleinen gegossenen Abzeichen, die Lohnpilger an ihren Zielorten kauften, um ihren Auftraggebern zu beweisen, dass sie tatsächlich da waren. Oder die Würfel, die Adam von Bremen 1060 veranlassten, des Erzbischof Adalberts Hang zum Würfelspiel zu rügen. Das alles entwickelt seine Faszinationdurch die Geschichten in der Geschichte – dagegen wirkt dann der simulierte Archäologen-Gang nicht nur zusammengezimmert, sondern auch hölzern. Klaus Irler

bis 28.3.04. Termine des Rahmenprogramms: taz-Tageskalender