Rückständige Kopftuch-Politik

Betr.: „Lemke wieder ohne Kopftuch“, taz bremen vom 30. Oktober 2004

Lemke hat es wieder einmal geschafft, sich in seiner kulturellen Unwissenheit selbst zu übertreffen, um es zurückhaltend zu formulieren. Natürlich, wie nicht anders zu erwarten war, weil keine echten Argumente existieren, kam er mit einem der in dieser ganzen Debatte schon zum festen Programm gewordenen Klischees, vom Mädchen, dass als Hure beschimpft wird, weil es angeblich kein Kopftuch trägt, oder das klassische Argument vom Mädchen, dessen Familie flüchten musste, weil sie kein Kopftuch tragen wollte. Nur bei genauerem Hinsehen stellt man fest, dass auf Schulhöfen oft nicht einmal ein Anlass notwendig ist, um noch viel übler beschimpft zu werden. Was die geflüchtete Familie anbelangt, bleibt unerwähnt, dass es eher handfeste, politische Gründe sind, als religiöse, die Familien dazu veranlassen, aus ihrer Heimat zu flüchten, wie Krieg, Besatzung, Diktaturen und Mauern. Aber dass Lemke ein Koranexperte ist, ist ja was ganz Neues. Nun, um Fachleute zu belehren, so wie er es getan hat, muss er wohl wirklich ein Koran- und Religionsexperte sein und keiner hat es bisher gewusst. Warum eigentlich fordern wir nicht einen Pisa-Test für Politiker ein, indem diese auf ihre intellektuellen, humanistischen, politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Reife geprüft werden? Das Ergebnis wäre zunächst sicherlich erschreckend, aber es brächte auch die Chance, dieser rückständigen Politik endlich ein Ende zu setzen.

SHARIF HADICE, Syke