: Kölner Müll-Prozess bis zur Kommunalwahl
Die SPD hält den Skandal um die Schmiergelder und Schmutzgeschäfte ihrer Genossen in Köln für aufgeklärt. Doch abhaken kann sie erst, wenn beim ersten Gerichtsverfahren gegen die Beteiligten nichts Neues mehr herauskommt
KÖLN taz ■ Gerne beschäftigen sich die Genossen nicht mehr damit. Doch Inge Wettig-Danielmeier kam nicht umhin, auf dem SPD-Bundesparteitag in Bochum nochmals jene düsteren Vorgänge in Köln zu erwähnen, die im Frühjahr vergangenen Jahres ihre Partei bundesweit erschütterten. „Köln wirkt nach!“, rief die wiedergewählte Bundesschatzmeisterin den Delegierten in Erinnerung. Der Müll- und Spendenskandal in der Domstadt habe „den Eindruck entstehen lassen, auch bei den Sozialdemokraten sei eine Schattenwirtschaft gang und gäbe“. Aber, so Wettig-Danielmeier: „Wir haben den Kölner Skandal selbst aufgeklärt – und zwar vollständig.“ Ob dies kein voreiliger Schluss war, wird sich möglicherweise ab morgen überprüfen lassen. Denn am Donnerstag beginnt der erste Prozess zur Aufarbeitung des Kölner Müllskandals.
69 Verhandlungstage hat die 14. Große Strafkammer des Landgerichts Köln angesetzt, um die Umstände des Baus einer Müllverbrennungsanlage (MVA) Mitte der 1990er-Jahre in der seinerzeit noch sozialdemokratisch regierten Domstadt aufzuklären. Nach den bisherigen Planungen wird der Mammutprozess bis zum September 2004 dauern – und damit bis kurz vor den nordrhein-westfälischen Kommunalwahlen. Laut Anklage geht es um Bestechungsgelder in Höhe von 21,6 Millionen Mark, die die Gummersbacher Anlagenbaufirma Steinmüller eingesetzt haben soll, um den Zuschlag für den Bau der MVA zu erhalten.
Angeklagt sind neben dem damaligen Steinmüller-Manager Sigfrid Michelfelder und dem ehemaligen Viersener Müllunternehmer Hellmut Trienekens drei – mittlerweile ehemalige – Sozialdemokraten: der frühere parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion Karl Wienand, der Kölner Ex-Ratsfraktionschef und frühere Landtagsabgeordnete Norbert Rüther sowie Ulrich Eisermann, Exgeschäftsführer der städtischen Abfallentsorgungs- und -verwertungsgesellschaft AVG. Unter ihnen soll das Schmiergeld aufgeteilt worden sein. Außer Bestechung beziehungsweise Bestechlichkeit oder Beihilfe dazu werden allen fünf Beschuldigten auch Steuerstraftatbestände vorgeworfen.
Auf der Anklagebank werden allerdings zunächst nur Michelfelder, Eisermann und Rüther sitzen. Das Verfahren gegen den 76-jährigen Wienand, der den Deal eingefädelt haben soll, wurde wegen krankheitsbedingt eingeschränkter Verhandlungsfähigkeit abgetrennt. Die Anklage gegen Trienekens, dem eine Antikorruptionskommission der NRW-Landesregierung attestierte, „ein flächendeckendes Netzwerk der Einflussnahme auf politische Entscheidungsträger“ aufgebaut zu haben, ist noch nicht zur Hauptverhandlung zugelassen. Auch bei dem 65-jährigen Christdemokraten, der keine politischen Berührungsängste kannte, wenn es seinen Müllgeschäften diente, geht es um den Gesundheitszustand.
Nicht Bestandteil der Anklage sind die „Danke-schön-Spenden“ von Steinmüller, Trienekens und anderer Firmen, die Rüther zugegebenermaßen in die Kassen der SPD schleuste. Die Ermittlungen zu den über 400.000 Euro an illegalen Parteispenden, die zum Teil von dem damaligen Kölner SPD-Schatzmeister Manfred Bisciste mittels fingierter Spendenquittungen „gewaschen“ worden waren, laufen immer noch. Köln wirkt nach. PASCAL BEUCKER