: Eine schlichte Verharmlosung
betr.: „Die NPD hat null Chancen“, taz vom 30. 10. 04
Es wird langsam unerträglich, wie selbst „Experten“ die rechtsradikale Entwicklung vor allem im Osten Deutschlands verharmlosen und fehldeuten. Auch die Medien gehören zu diesen Verharmlosern. Interessanterweise erfolgen die entsprechenden Interpretationen meist von Angehörigen einer privilegierten gesellschaftlichen Mehrheit, für die die schleichende rechtsradikale Durchdringung der Alltagskultur in manchen östlichen Landstrichen tatsächlich nur ein intellektuelles Problem ist, da sie persönlich damit kaum in Berührung kommen (können).
Wenn Eckard Jesse etwa meint, entscheidend für die jüngsten NPD-Erfolge sei die wirtschaftliche Entwicklung und Hartz IV, so ist das entscheidend zu kurz gegriffen. Wer denkt, gegen Hartz IV etc. aktiv werden zu müssen, muss noch lange nicht NPD oder DVU wählen! Er kann PDS wählen oder sich außerparlamentarisch engagieren, mithelfen, eine neue Linkspartei aufzubauen oder sonst wie Protest anmelden. Wer NPD oder DVU wählt, ist Neonazi und muss als solcher bezeichnet und bekämpft werden. Diese Leute belassen es nicht bei ihrer entsprechenden Stimmabgabe. Es sind sie, die versteckt oder offen gegen Minderheiten pöbeln, potenziell gewalttätig sind und die den öffentlichen Raum in vielen Gegenden des Ostens zum No-Go-Gebiet für Angehörige von Minderheiten machen.
„Alarmismus ist unangebracht“, meint Jesse, eine schlichte Verharmlosung. Ob NPD oder DVU in irgendwelchen Parlamenten sitzen und deshalb zu fürchten sind, ist letztlich ein oberflächliches, einem institutionalisierten Verständnis von politischen Veränderungen entspringendes Problem. In den Parlamenten kann die NPD doch tatsächlich kaum was ausrichten. Entscheidend ist doch, wie rechtsradikale Haltungen und Handlungen Alltag und Lebenswelten durchdringen, wie die so uralte deutsche Natter ihr längst zertreten geglaubtes Haupt wieder hebt, um ihr Gift zu verspritzen. Und das tut sie nicht erst, seit NPD und DVU wieder in den Parlamenten sitzen. GÜNTER REISBECK, München
betr.: „Goethe, Schiller – Neonazi“, taz vom 1. 11. 04
Im Bericht steht Torsten Heise zu Recht symbolisch für die Annäherung der NPD an das Spektrum militanter Neonazis. Dabei gerät jedoch aus dem Blick, dass die NPD sich schon einmal, Mitte der 90er-Jahre, für militante Neonazis öffnete, was mit deren taktisch begründetem Abgang endete. Die eigentlich spannende Frage ist, wie die Partei den Spagat zwischen Aktionismus und Parlamentarismus so zu gestalten gedenkt, dass sie ihre Basis ausbauen können, statt nur vor den Bekehrten zu predigen.
DAVID BEGRICH, Miteinander e.V., Halle/Saale