: Flusslandschaften zu Güllekanälen
Das Land Niedersachsen umgeht die EU-Wasserrahmenrichtlinien und will seine Gewässer nicht sanieren. Die werden dafür schlicht als „erheblich verändert“ gebucht – Motto: Hier ist sowieso nichts mehr zu retten. Naturschützer protestieren
von Thomas Schumacher
Endlich einmal eine gute Nachricht aus Brüssel! Die EU verlangt in ihrer Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) von ihren Mitgliedsstaaten, Flüsse und Seen bis 2015 ökologisch wertvoller zu machen. Die schlechte Nachricht: Das Land Niedersachsen bastelt an der Richtline so lange herum, bis es für die Emsregion zu dem Ergebnis kommt: Die Gewässer im Emsraum brauchen nicht saniert zu werden, sie sind hoffnungslos kaputt! Die Wasserverwaltung meldet: Auftrag ausgeführt, Sanierungskosten gespart.
Zu Nutzen gemacht hat sich die niedersächsische Landesregierung dabei ein Schlupfloch in der EU-Richtlinie. Die schreibt eigentlich vor, dass alle Gewässer in einen ökologisch „guten“ Zustand gebracht werden müssen. Sie lässt aber Ausnahmen zu, in denen sich ein Land die Sanierung sparen kann. Niedersachsen ging in dieser Hinsicht sehr trickreich mit den Forderungen um, und zwar so: Als ersten Schritt müssen die Wasserbehörden ermitteln, welche ihrer Gewässer „wahrscheinlich“ die EU-Norm „gut“ erreichen können und welche nicht. In einer vorläufigen Einschätzung (C- Bericht) erklärte Niedersachen für 98 Prozent der norddeutschen Flusskörper: Ziel „gut“ kann wahrscheinlich nicht erreicht werden.
Im jetzt nach Brüssel weiterzuleitenden B-Bericht werden plötzlich nur noch 80 Prozent der Gewässer als irreparabel bezeichnet. „Dies wäre eigentlich positiv, aber das Land hat keine neuen Daten für die neue Bewertung ermittelt, es hat die alten nur anders interpretiert“, meint Gerd Wach von der Umweltinitiative Wassernetz. Vielleicht erschien es den Beamten schlicht zu dreist, alle Gewässer als unsanierbar auszuweisen.
Die neu definierten 20 Prozent „guten Gewässer“ jedenfalls liegen alle an der Elbe, der Aller oder in der Heide. Keines der als hoffnungsvoll prognostizierten Gewässer liegt laut B-Bericht an der Ems. Sanierungsmaßnahmen hätten hier weit reichende Konsequenzen, beispielsweise für die Landwirtschaft. Die Bewirtschaftung flussnaher Flächen müsste eingeschränkt, das Ausbringen von Dünger und Gülle möglicherweise verboten werden. Sonderlich ernst scheint es die Landesregierung mit der Verbesserung der Gewässergüte selbst bei den 20 Prozent „guten Gewässern“ nicht zu nehmen. „Dort werden keine weiteren Untersuchungen mehr gemacht“, so Wasserexperte Wach zur taz: „Das Land weiß also gar nicht, mit welchen Maßnahmen es die Ökologie dort verbessern will. Es weiß nur, die Maßnahmen werden nicht viel kosten.“
„Erheblich veränderte“ oder künstliche Wasserkörper müssen laut der EU-Richtlinie überhaupt nicht saniert werden – ein Zugeständnis an klamme Haushaltskassen. Niedersachsen weiß das zu nutzen: Waren in der vorläufigen Einschätzung an der Ems noch „natürliche Flusskörper“ ausgewiesen, sind sie im aktuellen B-Bericht gestrichen und als „erheblich veränderte“ definiert. Damit braucht in diesem Gebiet kein einziges Gewässer saniert zu werden. „Die EU hat ausdrücklich nicht sanierbare Gewässer als Ausnahme zugelassen. Niedersachsen macht daraus aber eine Regel. Das geht nicht“, sagen die Experten vom Wassernetz. Und Gerd Wach stichelt: „Laut niedersächsischer Wasserbehörde könnten die Ostfriesen eigentlich nicht mehr mit ihrer Wasserlandschaft um Feriengäste werben, die ist ja laut Landesregierung kaputt.“
Auf einer Tagung in Bremen wollten sich die niedersächsischen und Wasserwirtschaftsbehörden mit ihren Beiräten heute eigentlich feiern lassen. Angesichts der Kritik von Naturschutzverbänden und Wasserexperten wird daraus wohl nichts. Als besonders ärgerlich empfinden es die WassernetzerInnen, dass auch in dem heute vorgelegten B-Bericht die Gewässer nur nach wasserbaulichen und strukturellen Kriterien bewertet werden. Eine biologische Beurteilung, wie sie die EU ausdrücklich fordert, findet nicht statt. Die Daten fehlen – oder sie können nicht ausgewertet werden.