: Lässige Phrasen
Liebe als Trick und Illusion: Jan Puschs unterhaltsames Tanz-Duett „match“ auf Kampnagel uraufgeführt
Kaum ist der Gedanke ausgesprochen, erscheint auch schon das passende Bild auf der Leinwand. Eine Drehung um die eigene Achse spannt einen blauen Himmel auf, wo vorher karge Wände standen. Es ist wie in einem Werbefilm. Schnell träumt man sich in Postkartenlandschaften, zwischen Designermöbel oder ins Restaurant zum romantischen Kerzenschein.
Es geht um die Liebe, die in Jan Puschs soeben auf Kampnagel uraufgeführten Tanz-Duett „match“ real und auf der Leinwand als Geschäft mit der Illusion verhandelt wird. Mel (Melanie Lane) und Henrik (Henrik Kaalund) manövrieren sich tanzend und sprechend durch die Ebenen von Beziehungs(klein)krieg und Wunschvorstellung: Warum nicht den Kitt für die bröckelnde Zweisamkeit öffentlich in einer Fernsehshow abholen? Schließlich ist das mit der wahren Liebe so eine Sache, seit nichts mehr authentisch ist und jede Liebeserklärung schon in einem Popsong verwurstet wurde. Da heißt es strategisch vorgehen, überlisten, überraschen. Letzteres gelingt Jan Pusch immer wieder – trotz der Banalität allzu lässig hingeworfener Phrasen und geschmeidiger Tanzakrobatik. Doch das Zitieren von Oberflächen und Klischees ist hier Programm, bis sich in den Überlagerungen ironische Brüche einstellen und Puschs Humor siegt.
Der Hamburger Choreograph zieht im zweiten Teil seiner Reihe „projections on the moves“ wieder alle Register der Medientechnologie. Er bettet den Tanz in virtuelle Landschaften, die Timo Schierhorn in die nackte Bühnenarchitektur aus verkanteten Wänden zaubert. Im Vergleich dazu nahm sich der erste Teil der Reihe, das Episodenstück „Into the Blue“, noch aus wie eine Fingerübung. Vor drei Jahren hatte das Stück, das Jan Pusch den internationalen Durchbruch bescherte, auf Kampnagel Premiere; seither tourt das preisgekrönte Stück um die Welt.
In Hamburg hat Pusch sich in letzter Zeit dagegen rar gemacht – eine Folge des zunehmenden Austrocknens von Hamburgs freier Tanzlandschaft. Zehn Jahre schon experimentiert Pusch mit der Verquickung der Medien; der studierte Musiker und ehemalige Tänzer im Hamburg Ballett choreographiert, textet und komponiert. Seine anfangs noch sperrigen Stücke kommen zunehmend geschliffener daher. Man muss direkt schmunzeln, wenn Mel mit artig übereinander geschlagenen Beinen von der Leinwand herunter verlauten lässt, dass die perfekte Regie nicht mehr sei als eine geschickte Manipulation. Marga Wolff
nächste Vorstellungen: 6. + 7.11., 20 Uhr, Kampnagel