Village Voice : Sanft und fies flötende Elektronik und die altersweise Erkenntnis, dass Gin-Cola gut tut: neue Platten von Zue und den Quarks
Sprechen wir doch, die Jahreszeit ist danach, mal über Melancholie. Über Besinnlichkeit, über Trübsinn gar. Oder besser noch: Hören wir Quarks, hören die Elektronik sanft und doch auch ein wenig fies flöten, bis die ersten Worte Jovanka von Willsdorfs die Harmonie ein wenig aus der Ruhe bringen: „Ich will dich haben!“ Schnell ist klar: „Quarksland“ (Home Records/Sony), das vierte Album des Berliner Duos, ist der drängende Versuch, aus dem nun doch recht ausgelutschten Klischee Rauchige-Frauenstimme-über-romantischer-Elektronik auszubrechen. Dazu bedienen sich Quarks einer Reihe von Premieren: Erstmals haben sie die Grundgerüste der Songs live eingespielt, weshalb sich der Sound mehr als jemals zuvor auf klassisches Instrumentarium stützt; erstmals benutzen sie eine ungewohnt explizite Sprache, des Öfteren auch in Englisch; von Willsdorf-Partner Niels Lorenz darf auch mal singen; sie schrauben ein paar pumpende Beats zusammen, adaptieren aber auch ein Gitarrenrock-Riff und besinnen sich schließlich auf die Wurzeln dieses, ihres ursprünglichen Entwurfs, den wir mal die Portishead-Idee nennen wollen: So klingt „Not A Good Idea“, als wollte es in einem Jazzkeller Ende der 60er-Jahre nicht weiter auffallen, so gerührt kommen die Drums, so schmusig die akustische Gitarre daher. Allerdings: Vom Jahre 2004 aus betrachtet könnte man den Song auch interpretieren als Versuch, TripHop ohne elektronische Mittel zu rekonstruieren, was wohl keinen rechten Sinn macht. Und so bleibt „Quarksland“ eben auch zwischen allen Ansätzen kleben, kann sich nicht so recht entscheiden, will allerhand, schafft manches und entwickelt schließlich in dieser Unentschiedenheit sogar einen gewissen Reiz.
Zue dagegen wissen, was sie wollen, nämlich die deutschen Happy Mondays werden. Fein haben sie sich das ausgedacht, Gitarrenpop mit Dance-Beats zusammen zu denken, und nach einem Debütalbum mit englischen Texten texten sie auf „Wombat“ auch nur noch Deutsch. Sie träumen vom „perfekten Tag, einmal Cowboy zu sein“, trösten sich damit, dass dies „alles nur ein Film“ ist, und fragen sich, wie sie den „letzten Tag auf Erden“ wohl verbringen möchten. Am liebsten, so Sänger und Texter Sören Alpermann, mit Gin-Cola, musikalischen Experimenten und der nicht ganz dummen Erkenntnis: „Leben heißt Phantomschmerz/ Und damit älter werden.“ Man möchte es den jungen Leuten ja ersparen, aber keinen Tag zu früh werden die Schmerzen im Rücken und anderswo dann doch recht real. Bis es aber für sie persönlich so weit ist, paaren die drei von Zue eine nicht ganz ernst zu nehmende Altersweisheit mit einer so verflucht relaxten Haltung, dank der sogar ein unglaublich monotoner Dub-Reggae problemlos von der Hand geht. So was gelingt nur mit zu viel Chemie im Kopf oder durch eine Geisteshaltung, die gründet auf der Erfahrung, Eberswalde, wo man sich ursprünglich zusammen getan hat, glücklich hinter sich gelassen zu haben. Die Rave-O-Lution aber, die haben sie noch nicht hinter sich gebracht. Die ist in der Welt von Zue erst für morgen angesetzt.
THOMAS WINKLER