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Archiv-Artikel

Friss Scheiße und stirb, Arschloch

Die Wahl in den USA hat gezeigt: Die Zukunft wird noch rücksichtsloser und verkommener werden. In George W. Bushs Gesicht spiegelt sich die Verwahrlosung und Neidbesessenheit eines Amerikas, das durch Massenmord erschaffen wurde. Eine wütende Entgegnung aus New York

VON GARY INDIANA

Auf einer gewaltigen Party in einem todschicken Hotel zeigt ein gigantischer Fernsehbildschirm rote Staaten und blaue Staaten und Blablabla. Unterdessen fühle ich mich unfähig, Gefühle auf Abruf zu zeigen, völlig gleichgültig gegenüber dem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Pest und Cholera. Kerry ist ein dreidimensionales Markenzeichen, Bush ist der Tod, der sich nach dem fünften Glas Whisky sehnt. „Wer immer gewinnt, wir verlieren“, wie es die Werbekampagne für „Alien vs. Predator“ kurz und bündig formuliert hat.

Es ist eines der kleineren Geheimnisse, warum jemand, der mehr als vier Hirnzellen besitzt, eine widerliche Bauchrednerpuppe haben möchte, die für die nächsten vier Jahre weiterhin tödlichen Schwachsinn absondert, für den Joseph Goebbels oder Karl Rove [Bushs Wahlkampfstratege; d. Red.] das Drehbuch hätten schreiben können. Kleiner, weil vier Hirnzellen schon weit über dem nationalen Durchschnitt liegen. Oder wie ein schlauer Kopf einmal gesagt hat: Du ziehst nie den Kürzeren, wenn du die Intelligenz der amerikanischen Bevölkerung unterschätzt. Mir tun die anderen in ihrer Enttäuschung Leid, die jungen Leute, die nun in einem rücksichtsloseren und verkommeneren Land aufwachsen werden, als ich es erlebt habe. Ich aber bin alt genug, um keine großen Freuden mehr von der geistigen und moralischen Toilette namens Amerika zu erwarten. Bis auf die paar Unglücklichen, die liebend gerne der Jungfrau Maria zu einer Abtreibung verholfen hätten, ist dieses Land mit unwissenden Hillbillies bevölkert, deren persönlicher Schutzpatron durch die lippenlose Öffnung im Gesicht von George W. Bush zu ihnen spricht. In diesem Gesicht spiegelt sich ihre Verwahrlosung und Neidbesessenheit, mit der sie das Amerika erhalten wollen, das ihre Vorfahren durch Massenmord geschaffen haben: ein Dollywood ohne Titten; ein Disneyland, in dem Mickey und Minnie Mouse ein schlaffes Stück Plastik zwischen den Beinen hängen haben; ein Graceland, aber ohne Elvis, der Betäubungsmittel in sich reinschaufelt, um den ganzen Horror überhaupt aushalten zu können. Mein Freund ist Afrikaner. Mein bester Freund ist Palästinenser. Ich bin zu einem Viertel Jude.

Wir denken daran, uns aus dem Staub zu machen. Andererseits aber ist es auf eine verrückte Weise faszinierend, wenn man zuschaut, wie das babylonische Kartenhaus in sich einstürzt. Denn es wird: What goes around comes around. Mein absoluter Lieblingsmoment im Repertoire Amerikas ist der erstaunte Blick jener Leute, denen niemals etwas Schlimmeres als Zahnweh widerfahren ist, und die erst aufwachen, wenn es zu spät für jedes Mitleid ist. Dies hier geht an all die Junkies, die noch immer auf dem amerikanischen Traum sind: Ihr habt es so gewollt, nun lebt auch damit. Ihr seid nicht einmal mehr die Gnade eines goldenen Schusses wert. Friss Scheiße und stirb, Arschloch.

William Faulkner und James Baldwin, Norman Mailer, Gore Vidal und Mary McCarthy haben vielleicht nicht alles gesagt, was es über Amerika zu sagen gibt. Genauso wenig Gertrude Stein. Doch Letztere hat mit ihrem für US-Verhältnisse seltenen Genie über Oakland, Kalifornien, geschrieben: Es gibt kein dort „dort“. Soweit ich das sehe, sagt dies schon alles.

Übersetzung: Harald Fricke

Gary Indiana ist Schriftsteller, Kulturkritiker und Essayist. Er lebt in New York und schreibt regelmäßig für die Zeitschrift „artforum“