„Lieber den 1. Mai abschaffen“

Günter Krings, Sprecher der jungen CDU-Bundestagsabgeordneten, setzt andere Prioritäten als Rot-Grün

taz: Herr Krings, einige Ihrer Parteifreunde werfen der Regierung „Vaterlandsverrat“ vor, weil sie den 3. Oktober als Feiertag abschaffen will. Geht’s nicht eine Nummer kleiner?

Günter Krings: Meine Sprache ist eine andere, aber vielleicht ist diese Deutlichkeit nötig, um für Aufmerksamkeit zu sorgen. Auf jeden Fall halte ich es für richtig, dass sich die Union entschieden gegen diesen Vorschlag wendet. Der Tag der Deutschen Einheit ist ein Symbol für das nationale Zusammengehörigkeitsgefühl, das wir erhalten sollten.

Andererseits fordern Sie doch immer Mut zu radikalen, unpopulären Reformen. Die Streichung des 3. Oktober soll immerhin mehr Wachstum und Arbeitsplätze bringen …

Das ist doch kein Vorschlag, der uns wirklich weiterbringt. Es gäbe weitaus effektivere Wege, um etwas für Wachstum zu tun. Wir in der Jungen Gruppe der CDU/CSU-Fraktion haben beispielsweise vorgeschlagen, die Wochenarbeitszeit um eine Stunde zu erhöhen. Das allein würde so viel bringen wie die Abschaffung von fünf Feiertagen. Aber wenn man schon über Feiertage nachdenkt, sollte man nicht ausgerechnet den einzigen streichen, der für das ganze Land von hoher Bedeutung ist.

Welche Feiertage kämen denn aus Ihrer Sicht in Frage?

Wie gesagt, ich halte andere Maßnahmen für sinnvoller. Aber die Regierung muss sich schon die Frage stellen lassen, warum sie, wenn sie diese Diskussion führt, nicht an den 1. Mai herangeht. Gerade in den letzten Jahren hat sich doch gezeigt, dass der 1. Mai nur noch für eine Minderheit wichtig ist. Der Tag der Deutschen Einheit dagegen geht alle Bürger an, er führt das Volk zusammen. Ihn streichen zu wollen, zeugt von verkehrten Wertmaßstäben der Regierung.

Das klingt, als ob Sie einen Kulturkampf führen wollen: nationale Symbole gegen Symbole der Arbeiterbewegung?

Ich will das nicht so zuspitzen. Aber natürlich hat diese Frage auch etwas mit Vaterlandsliebe zu tun. Wir werden es bitter büßen, wenn wir uns in Deutschland nicht zu einem gesunden Patriotismus bekennen, wenn dieses Land gewissermaßen zu einer rein ökonomischen Zweckgemeinschaft verkommt. Wenn es nichts mehr gibt, was dieses Land verbindet, werden noch mehr Leute ins Ausland gehen. Dass Rot-Grün den Tag der Deutschen Einheit abschaffen will, zeigt jedenfalls, dass diese Regierung ein gestörtes Verhältnis zum eigenen Vaterland hat.

Ihr Vorschlag wiederum zeigt ein interessantes Verhältnis zu den Arbeitnehmerrechten, für die der 1. Mai steht.

Nein, aber ich glaube, dass man Prioritäten setzen muss: also ein Feiertag fürs ganze Land oder einen für Partikularinteressen.

Mit diesem Argument könnte man auch viele kirchliche Feiertage abschaffen.

Ich bin da nicht grundsätzlich dagegen. Den Buß- und Bettag abzuschaffen, habe ich auch für vertretbar gehalten. Aber wir sind immer noch eine christlich geprägte Nation. Wenn man sieht, wie viele Kirchenmitglieder es gibt und wie viele Mitglieder die Gewerkschaften haben, komme ich auch bei diesen Überlegungen eher auf den 1. Mai als auf andere Feiertage.

INTERVIEW: LUKAS WALLRAFF