Die USA sollen eine Gesellschaft der Eigentümer werden

Senkung der Einkommensteuer, Privatisierung von Renten- und Krankenversicherung – Bush setzt darauf, den Staat weiter zurückzudrängen

BERLIN taz ■ Nimmt man die Aussagen von George W. Bush aus dem Wahlkampf ernst, ergibt sich eine Tendenz seiner künftigen Wirtschafts- und Finanzpolitik, die sich in drei Begriffen zusammenfassen lässt: Entstaatlichung, soziale Polarisierung und Instabilität.

Immer wieder hat die republikanische Präsident der USA in den vergangenen Monaten erklärt, die Steuersenkungen seiner ersten Amtszeit verlängern zu wollen. Um die Konjunktur nach den Anschlägen des 11. September 2001 zu stützen und gleichzeitig die wohlhabenden Schichten und Unternehmen zu fördern, hat Bush umfangreiche Steuersenkungen durchgesetzt. So wurden die Sätze der Einkommensteuer verringert, ebenso die Dividenden- und Kapitalertragssteuer. Während bislang im Gesetz steht, dass diese und andere Maßnahmen bis 2010 nach und nach auslaufen, plant die US-Regierung nun, die Vergünstigungen zeitlich auszudehnen. Weil die Entlastung zum erheblichen Teil den eher vermögenden Schichten der US-Bevölkerung zugute kommt, würde das zu einer Verschärfung der sozialen Gegensätze führen.

In eine ähnliche Richtung geht die Idee, grundsätzlich aus der Finanzierung staatlicher Aufgaben mittels der Einkommensteuer auszusteigen und an ihre Stelle so genannte „indirekte“ Steuern zu setzen. Dazu gehört etwa die Mehrwertsteuer, die ärmere Menschen im Verhältnis zu reichen stärker belastet, da jene einen relativ größeren Teil ihres Einkommens in den Konsum investieren.

Um seine wirtschafts- und sozialpolitischen Ideen zusammenzufassen, benutzt Bush den ebenso visionären wie interpretationsoffenen Begriff „ownership society“. Soll heißen: eine Gesellschaft, in der die Früchte der eigenen Arbeit jedem selbst und nicht dem Staat gehören. In diese Richtung gehen auch Pläne für die stärkere Ausrichtung der Renten- und Krankenversicherung auf den Kapitalmarkt. Bei der Altersversicherung sollen private Fonds die bisherige öffentliche Abwicklung und Auszahlung ersetzen. Und weil viele Unternehmen sich vor dem Hintergrund steigender Gesundheitskosten aus der bisherigen gemeinsamen Finanzierung der Krankenversicherung herausziehen, will Bush die Absicherung gleich ganz auf die Seite der Beschäftigten verlagern. Diese sollen einen Teil ihres Einkommens in private Kapitalmarktfonds oder spezielle Gesundheitssparbücher bei den Banken einzahlen, wofür der Staat ihnen gewisse Steuervorteile gewähren würde. Sollte die Bush-Regierung diese Ideen umsetzen, würden Staat und Unternehmen aus der Verantwortung für die soziale Sicherung zumindest teilweise entlassen, sagt Marian Berneburg, USA-Experte vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle.

Ökonomisch könnte diese Strategie folgenden Sinn haben: Die großen privaten Banken, Versicherungen und Investmentgesellschaften erhalten zusätzliche Mittel. Das schafft in der Finanzindustrie nicht nur Jobs, sondern vergrößert auch das Angebot an Investitionskapital für Produktionsunternehmen, die Kredite brauchen. Und das wiederum könnte dazu beitragen, die Zinsen niedrig zu halten und das Wachstums zu stimulieren.

Was bedeutet all das aber für die beiden größten wirtschaftliche Problem der USA, das Leistungsbilanzdefizit von rund 5,5 Prozent der Bruttoinlandprodukts (2004) und das Defizits der Staatskassen von rund 4 Prozent im Verhältnis zum BIP? George W. Bush hat zwar erklärt, das Bugetdefizit zu halbieren, doch sprechen seine Pläne zum Teil dagegen: Die Verlängerung der Steuersenkungen beispielsweise vergrößern das Loch im Etat, anstatt es zu reduzieren.

So bleibt eine ziemlich prekäre Situation. Die USA sind täglich auf einen Kapitalimport von rund 1,5 Milliarden Dollar angewiesen, der vor allem aus China gespeist wird. Bleibt dieser aus irgendwelchen Gründen aus, sind schockartige Anpassungen nicht auszuschließen.

Eine Hoffnung freilich hat die Bush-Regierung – und die ist nicht ganz unberechtigt: Der fallende Wert des Dollars verbilligt US-Produkte auf den Weltmärkten, wodurch sie sich besser verkaufen. Damit verringern sich auch das Leistungsbilanzdefizit und die ökonomische Abhängigkeit der Hegemonialmacht von den Kapitalimporten des Auslands. HANNES KOCH