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Archiv-Artikel

„Die haben uns nur nett belächelt“

„Kürzt euch doch selber weg“: Sternmarsch Hamburger SchülerInnen am Montag gegen die angedrohten Schulschließungen. Jasper Grimbo vom Vorstand der SchülerInnenkammer im taz-Interview über die Enttäuschung über Senat und Behörde

Interview: Kaija Kutter

taz: Was war der Anlass für euch, diese Demo zu planen?

Jasper Grimbo: Die Vorlage der Ist-Analyse zur Schulentwicklungsplanung Anfang September. Da wurde deutlich, dass es der Behörde nur um Zahlen, aber nicht um Pädagogik und das Bemühen um eine bessere Schule geht.

Das war doch eh klar.

Uns nicht. Wir haben ein Jahr lang versucht, konstruktiv mit der Behörde zusammenzuarbeiten. Wir haben uns an ‚Runden Tischen‘ beteiligt und Konzepte entwickelt und sie der Behörde zur Verfügung gestellt. Als wir bemerkt haben, dass wir nur nett belächelt und nicht ernst genommen werden, haben wir uns entschieden zu demonstrieren.

Aber eurer Slogan richtet sich gegen Kürzungen.

Ja. Das kommt ja dazu. Es ist absolut lächerlich, dass immer gesagt wird, es sei kein Geld da und beispielsweise ein absolutes Sparmodell für Ganztagsschulen beschlossen wird, obwohl der Bund Milliarden dazugibt. Man kann einfach nicht in der Bildung durchgehend kürzen. Die Anhebung der Klassengrößen hat erschreckende Auswirkungen. Ich sitze als Schüler teilweise nicht mehr auf einem Stuhl, sondern auf dem Fensterbrett.

Wir sagen jetzt aber nicht, Dinges-Dierig ist blöd. Wir greifen den gesamten Senat an.

Aber Dinges-Dierig verantwortet die Bildungspolitik.

Klar. Aber wir haben das ja gerade erst bei Soltau und Lange erlebt, dass Senatoren abgeschossen werden und sich trotzdem nichts verändert.

Was hattet ihr als Schulentwicklungsplan erwartet?

Wir dachten schon, dass das eine Chance ist zu schreiben, wir machen eine Schule für alle Kinder. Stattdessen wird schon in den Vorgaben den Gesamtschulen das Überleben erschwert. Sie müssen vier Klassen voll kriegen, die Gymnasien nur drei. Und es stehen 34 Grundschulstandorte auf der Liste, was

erschreckend ist. Gerade für den spielerischen Übergang von Kita zu Schule sind kleine, stadtteilnahe Schulen besser.

Ist die Kammer gegen Schulschließungen?

Wir unterstützen die Schulen, die gegen ihre Schließung protestieren. Aber es kann im Einzelfall schon sinnvoll sein, zwei Gymnasien zusammenzulegen, die nebeneinander liegen. Wenn es die von uns geforderte „Schule für alle“ gibt, bräuchten keine Standorte geschlossen werden. Dann könnten Haupt- und Realschulen und Gymnasien einfach zusammen Schule machen.

Meint ihr das Konzept „neun macht klug“der GAL?

An dem Konzept müsste man noch arbeiten. Wir sind unabhängig und legen uns auf keine Partei fest. Wir fragen uns, warum die Schüler mit Spaß in die Schule gehen und diesen Spaß in der Grundschule verlieren. Das liegt an der selektiven Schule wie sie heute ist. Wir fordern eine eingliedrige Schule, in der auch jahrgangsübergreifend unterrichtet wird, in der es kein Sitzenbleiben und keine Noten gibt und keine Selektion.

Euch Schülern wird allerhand zugemutet. Es gibt zentrale Prüfungen, Noten ab Klasse 3, mehr Disziplinarmaßnahmen und sogar bald totales Rauchverbot. Wie kommt das an?

Bei den Schülern, die politische Interesse haben, stößt es auf Ablehnung, dass hier Dinge, die für sie angeblich positiv sein sollen, entschieden werden. Die anderen Schüler stört das auch. Aber sie sind zu demoralisiert um das zu sagen.

An der Demo habt ihr ein breites Bündnis beteiligt, von Studierenden über die DGB-Jugend bis zu den Kitas. Kommen da überhaupt Schüler hin?

Wir als Kammer haben es relativ schwer, die Schüler zu erreichen. Unsere Post an die Schulsprecher bleibt in der Behörde und in den Schulsekretariaten seltsamer Weise immer am längsten liegen. Und die heutigen Schüler sind demoralisiert. Aber wir hatten schon eine größere Rückmeldung und deshalb 5.000 Schüler angemeldet. Es ziehen allein acht Sternmärsche aus Stadtteilen schon mittags von den Schulen zum Hachmannplatz in die Innenstadt.