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Archiv-Artikel

Wir sind es nicht, das System ist es gewesen

Nach 13 Jahren erklärt die Treuhandnachfolgerin BvS den Umbau der DDR-Wirtschaft als endgültig vollbracht

BERLIN taz ■ Die Abwickler sind abgewickelt. Gestern stellte die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) ihren letzten Bericht vor. Der letzte Präsident der Nachfolgerin der Treuhandanstalt (THA), Hanns Schroeder-Hohenwarth, geht. Im Januar 2004 ist endgültig Schluss. Damit ist der Umbau der DDR-Wirtschaft 13 Jahre nach der Wende offiziell vorbei.

Rund 15.000 Betriebe hatte die Treuhand bis zu ihrem Ende 1994 privatisiert und 100 Milliarden Euro Schulden angehäuft. Bei ihrer Gründung 1990 rechnete der letzte DDR-Ministerpräsident, Hans Modrow, noch mit einem Gewinn von 900 Millarden DDR-Mark. Schließlich wurde sein Staat zu den ersten 15 Wirtschaftsnationen der Welt gerechnet. „Experten und Politiker gingen davon aus, es sei einfach, die DDR-Wirtschaft in eine Marktwirtschaft zu überführen“, sagte Manfred Schüler, der Vorsitzende des Verwaltungsrates der BvS, der die restlichen Geschäfte zu Ende bringen soll. „Das war ein Trugschluss.“

1994 stellte die Treuhand 1,5 Millionen Arbeitsplätze in Aussicht, 830.000 davon gibt es wirklich. Ungefähr 106 Milliarden Euro Investitionen wurden der THA vertraglich zugesichert, 68 Milliarden Euro wurden tatsächlich in die gekauften Firmen gesteckt. Ab 1995 überwachte die BvS die Zusagen und privatisierte noch einige Unternehmen.

„Dabei wurden natürlich Fehler gemacht“, so Schroeder-Hohenwarth. Manche Betriebe seien sehr schnell privatisiert, die Treuhand sei 1995 zu eilig in die BvS überführt worden. „Zu der Zeit lief zum Beispiel gerade die Privatisierung der Buna- und Leuna-Werke“, sagte Otto Gellert, seit 1990 im Verwaltungsrat der Treuhand. „Ein längerer Übergang zwischen Treuhand und BvS wäre hilfreich gewesen.“ Zudem wurden Zusagen für Investitionen und Arbeitsplätze anfangs kaum an Vertragsstrafen gekoppelt. „Deshalb fehlten uns manchmal die Mittel, Versprochenes durchzusetzen“, erklärte Schroeder-Hohenwarth. Allerdings waren sich die zum Abschlussbericht angereisten Treuhand- und BvS-Verantwortlichen einig: Das meiste habe man nicht anders machen können. Schuld an Fehlern sei größtenteils das System oder die Situation gewesen. Oder die Ost-Presse.

„In der DDR gab es kaum Berichterstattung über Kriminalität“, sagte Schroeder-Hohenwarth. „Da haben Betrügereien und Korruption bei uns sehr hohe Wellen geschlagen.“ Natürlich habe es inTreuhand und BvS auch Kriminelles gegeben. Doch auch in westdeutschen Unternehmen werde durchschnittlich gegen einen von 100 Mitarbeitern ein Strafverfahren eingeleitet. Schroeder-Hohenrath: „Das ist bei uns nicht mehr.“

Dagegen habe man Erfolge vorzuweisen. Von Treuhand und BvS privatisierte Unternehmen seien besonders stabil. „In den letzten sieben Jahren lag die Abgangsquote unserer Unternehmen bei 20 Prozent, im Westen sind es 35 Prozent“, erklärte Schüler. Das werde durchaus anerkannt. „Delegationen aus Südkorea kommen regelmäßig, um sich beim Umbau ihrer Wirtschaft beraten zu lassen“, so Expräsident Schroeder-Hohenwarth. Und einige BvS-Angestellten arbeiten inzwischen als Berater in Osteuropa. DANIEL SCHULZ

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