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Archiv-Artikel

Folterverbot unterlaufen

Amnesty fordert Deutschland auf, Zusatzprotokoll der UN-Anti-Folter-Konvention zu unterzeichnen. Irakische Ärzte: Folter in US-kontrollierten Knästen geht weiter

BERLIN epd ■ Amnesty international hat die Bundesregierung zu einem entschlosseneren Vorgehen gegen Folter aufgefordert. „Vorbildwirkung auf internationaler Ebene“ hätte die umgehende Unterzeichnung und Ratifizierung des Zusatzprotokolls der UN-Anti-Folter-Konvention, sagte die Generalsekretärin der deutschen Sektion von amnesty, Barbara Lochbihler, gestern anlässlich der von der Organisation Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges veranstalteten Tagung zum Thema „Folter und Humanität“ in Berlin.

Mit der Ratifizierung würde einem Sachverständigenausschuss das Recht eingeräumt, unangemeldet Inspektionsbesuche in deutschen Gefängnissen oder Polizeistationen zu machen. Lochbihler forderte die Innenminister der Länder auf, der entsprechenden Regelung der Anti-Folter-Konvention auf ihrer nächsten Konferenz am 18. November in Lübeck zuzustimmen.

Zur Tagung eingeladene irakische Ärzte haben ebenfalls gestern den US-Truppen im Irak vorgeworfen, in den von ihnen kontrollierten Gefängnissen würden weiter Häftlinge gefoltert. Trotz der bekannt gewordenen Misshandlungen im Gefängnis Abu Ghraib vor einem halben Jahr werde insbesondere die psychologische Folter weiter praktiziert, sagte Maysem Abdul-Wahab, Ärztin in einem Bagdader Behandlungszentrum für Folteropfer. Laut dem Direktor der psychiatrischen Ibn-Rushd-Klinik in Bagdad, Haschim al-Sainy, hat sich die Situation bei der Anwendung der Folter in Iraks Gefängnissen vor und nach dem Sturz Husseins nicht verändert.

Auch Lochbihler kritisierte konkret die USA für ihre Gefängnispraxis im Irak und andernorts. Die Bilder gefolterter Iraker und die fortgesetzte „Behandlung“ von Häftlingen in US-Gewahrsam von Afghanistan bis Guantánamo zeigten, dass auch für die Vereinigten Staaten das Folterverbot kein Tabu mehr sei. Amnesty sieht dies auf dem Hintergrund einer „Relativierung des absoluten Folterverbots“ zugunsten vermeintlicher Sicherheit im weltweit ausgerufenen Kampf gegen den Terror. Fast jede Regierung habe ihre Machtbefugnisse ausgebaut, um zu ermitteln, zu verhaften und festzusetzen, so Lochbihler. Derartige Maßnahmen leisteten Folter und Misshandlungen Vorschub.