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Archiv-Artikel

Protest verboten

Frankreich erhöht Druck auf die Antiatombewegung. Das zeigt Prozess wegen „Behinderung des Zugverkehrs“

Von DORA

PARIS taz ■ Atommülltransporte sind ständig irgendwo in Frankreich unterwegs – auf Schienen, auf der Straße und manchmal mitten in dicht besiedelten Gebieten. Immer wieder gibt es dagegen Proteste. Am stärksten sind sie im Osten, wo Frankreich an Deutschland grenzt, und im Norden um die Wiederaufbereitungsanlage von La Hague. Die WAA war auch das Ziel des Castor-Transportes per Bahn, der in der Nacht vom 19. Februar aus Gorleben kam. Jetzt hatte er ein gerichtliches Nachspiel im nordfranzösischen Avesnes-sur-Helpe. Wegen „Behinderung des Zugverkehrs“ beantragte die Staatsanwaltschaft Geldstrafen gegen alle fünf Angeklagten.

In den vergangenen Jahren sind mehrfach DemonstrantInnen gegen Atommülltransporte festgenommen worden. Doch die Justiz hat die Ermittlungen regelmäßig eingestellt. Seit dem Regierungswechsel hat sich die Stimmung geändert. Immer häufiger enden jetzt Protestbewegungen vor Gericht. Nachdem bislang vor allem GewerkschafterInnen und MenschenrechtlerInnen betroffen waren, sind jetzt die AKW-GegnerInnen dran. In Avesnes-sur-Helpe traf es vier Grüne, davon zwei gewählte Lokalpolitiker, und einen Journalisten von Indymedia. „Frankreich ist ein Sicherheitsstaat geworden, der gleichzeitig sein Atomprogramm ausbaut“, sagt Thierry Denys, Sprecher der örtlichen Grünen.

Das geforderte Strafmaß ist mit 600 Euro pro Nase nicht besonders hoch. Doch es reicht aus, um allen fünf Angeklagten Vorstrafen zu verschaffen und die Karrieren der Lokalpolitiker zu gefährden. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, ein Warnsignal der Eisenbahn auf Rot gestellt und dadurch den Zug aufgehalten zu haben. Angesichts der dünnen Beweislage sind Freisprüche bei der Urteilsverkündung am 17. Dezember nicht ausgeschlossen. Die Anti-AKW-Bewegung nimmt den Prozess dennoch sehr ernst. Mycle Schneider, unabhängiger Energieberater, der als Entlastungszeuge vor Gericht geladen war, vermutet, dass die Protestbewegung just in jener französischen Region des Landes gebremst werden soll, wo sie am stärksten ist.

Die französische Regierung hatte bereits im Hochsommer versucht, die Proteste zu stoppen. Per Dekret stellte sie jede Veröffentlichung über atomsicherheitsrelevante Fragen unter Strafe. Das Anti-AKW-Netzwerk „Sortir du Nucléaire“ will sich dadurch nicht einschüchtern lassen: Es bereitet bereits die Proteste gegen den nächsten Atommülltransport vor. DORA