piwik no script img

Archiv-Artikel

Ökologische Meisterwerke

Größtes Internationales Umweltfilm-Festival in Berlin: 40 Regisseure zeigen ihre Sicht etwa zur „nachhaltigen Ernährung“ oder zur knappen Ressource Wasser

BERLIN taz ■ In zwanzig Minuten schafft es der Dokumentarfilm „Vor der Flut – das letzte Paar in Vuotos“, das Drama eines alten Ehepaars im Norden Finnlands eindringlich zu schildern. Deren Heimat in Lappland soll wegen eines Staudammprojekts verschwinden. Das finnische Ehepaar beim Holzeinschlag für den langen Winter, beim Schneeschippen und dann morgens vorm Radio: Nach dem nächsten Musikstück wird ein Sprecher die Nachricht der Behörde verbreiten, ob der Damm gebaut wird. Die Anspannung der beiden überträgt sich auf den Zuschauer. Ein kleines Meisterwerk des Ökofilms. Wobei der Begriff Ökofilm natürlich schwer definierbar ist – diesen Begriff mit Leben füllen will ein Festival in Berlin, das bis Sonntag läuft.

„Vor der Flut“ ist nur einer von diversen Filmen zum Thema Wasser, die an diesem Wochenende beim Berliner Filmfestival Ecomove laufen. Die Auswahl des finnischen Films traf Green Vision, eine Umweltorganisation in St. Petersburg, die ebenfalls ein Filmfestival veranstaltet. Das deutsche Ecomove findet alle zwei Jahre statt und ist ein Gemeinschaftsunternehmen. Organisationen aus Prag, Tokio, der Slowakei, Portugal und der deutschen Ökometropole Freiburg haben sich dafür zusammengeschlossen. Die großen Themen sind in diesem Jahr das Wasser, die Ernährung, die Gesundheit und die Ressourcen. Ein weiterer Schwerpunkt sind verschiedene Kinderfilme – zu denen sich mehr Schulklassen anmelden wollten, als Platz war.

Dass Ökologie politisch womöglich ins Hintertreffen gerät, bei Großkonzernen aber zumindest für die öffentliche Profilierung immer wichtiger wird, zeigt die Sponsorenliste von Ecomove. Auf der sind mit Sony, Volkswagen und Hewlett-Packard gleich drei multinationale Konzerne vertreten. Konsequenterweise findet das Festival denn auch nicht in einem Off-Kino statt, sondern in der sterilen Unterwelt des Sony Centers am Potsdamer Platz, zentral in Berlin. Ansonsten nicht gerade ein Hort der Ökologie.

Ein großer Strommulti ist nicht unter den Sponsoren –wäre nämlich möglich, dass dessen Arbeit in Georgien näher beleuchtet wird. Ökomedia Freiburg hat einen Film aus Georgien ausgesucht. In „Power Trip“ geht es um die Probleme der Bürger von Tiflis. Aus sozialistischen Zeiten sind sie es noch gewohnt, mit Strom zu Niedrigstpreisen versorgt zu werden. Immerhin hatte Lenin die Elektrifizierung als Grundpfeiler des Sozialismus gepriesen. Ohne Atomkraft und Radiatoren keine fröhlichen Sowjetbürger.

Die heutigen Zustände in Tiflis jedenfalls sind stromtechnisch der absolute Horror. In Trafostationen vor von den Mietern selbst fertig gebauten Plattenbauten hängen Kabel wild durcheinander – Stromunfälle sind alltäglich. Da möchte man nicht Elektriker sein. Den Leuten des Stromversorgers bieten sich grausige Bilder des Kabelsalats vor jedem zweiten Haushalt. Bezahlen kann kaum jemand. Der Monatslohn liegt in Georgien bei 15 bis 75 Dollar. Die Stromrechnung eines Kunden im Film beträgt allein 24 Dollar. So beziehen rund 40 Prozent der Leute den Saft aus der Steckdose illegal. ANDREAS BECKER