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Archiv-Artikel

Kölner Müll stinkt auch zu Prozessbeginn

Auftakt des Prozesses um den Bau der Kölner Müllverbrennungsanlage: Schöffe wegen Befangenheit abgelehnt, weil er CDU-Kontakte missbrauchte. Und auch der Pressesprecher der Kölner CDU gerät nun wegen „Landschaftspflege“ unter Verdacht

aus Köln PASCAL BEUCKER und FRANK ÜBERALL

Mit Befangenheitsanträgen begann gestern der erste Prozess zum Kölner Müllskandal. Angeklagt sind der Exgeschäftsführer des Anlagenbauers Steinmüller, Sigfrid Michelfelder, der Exchef der Abfallentsorgungsgesellschaft AVG, Ulrich Eisermann, sowie der Kölner Ex-SPD-Ratsfraktionschef und Landtagsabgeordnete Norbert Rüther. Sie müssen sich wegen besonders schwerer Bestechlichkeit beziehungsweise Bestechung im geschäftlichen Verkehr sowie Untreue und Beihilfe dazu im Zusammenhang mit dem Bau der Kölner Müllverbrennungsanlage (MVA) verantworten.

Doch im Mittelpunkt des ersten Verhandlungstages vor der 14. Großen Strafkammer des Kölner Landgerichts standen zunächst andere: die Schöffen. Vor allem Dietrich Lunderstädt. Sein Betätigungsfeld liegt eigentlich im kleinen oberbergischen Radevormwald. Dort ist er Mitglied im Doppelkopfverein und sitzt im Stadtrat – für die CDU. Jetzt bescherte Lunderstädt dem Gericht zum Auftakt den ersten Eklat. Denn der 59-Jährige war als Schöffe verpflichtet worden, wollte jedoch nicht.

Deswegen wandte er sich im Vorfeld an einen Parteifreund: an Klaus Peter Biesenbach, den rechtspolitischen Sprecher der CDU-Landtagsfraktion. Der intervenierte beim Vorsitzenden Richter Martin Baur. Falls Lunderstädt nicht von seiner Aufgabe entbunden werde, so drohte der CDU-Landespolitiker laut Aktennotiz des Richters, „dann werden Sie von uns noch hören“. Verteidigung wie Staatsanwaltschaft sprachen von einem „unsäglichen“ und „skandalösen“ Vorgang und konstatierten die Befangenheit des Schöffen.

Die Verteidigung Eisermanns erhob auch noch gegen zwei weitere Schöffen Einspruch. So lehnte sie einen Schöffen ab, weil der bei den Kölner Stadtwerken arbeite, die Teilhaber bei der AVG waren. Außerdem sei eine Ersatzschöffin befangen, weil ihr Mann Anfang der 1990er-Jahre an einem Angebot der Firma Siemens zum Bau der MVA mitgearbeitet und seinerzeit schon vermutet habe, bei dem Zuschlag für Steinmüller sei es „nicht mit rechten Dingen zugegangen“.

Das Gericht gab dem Antrag gegen Lunderstädt statt, die beiden anderen lehnte es ab. Zur Intervention Biesenbachs erklärte Richter Baur: Für den Politiker sei offenbar „Gewaltenteilung ein Fremdwort“ und er verstehe „das Gericht als Wurmfortsatz der Politik“. Biesenbach, von Beruf Rechtsanwalt, wies hingegen vom Düsseldorfer Landtag aus den Vorwurf der unzulässigen Einflussnahme umgehend zurück. Er habe nur „vermittelnd helfen“ wollen.

Unterdessen hat die Staatsanwaltschaft ihre Wühlarbeit im Müllsumpf mit ihren Anklagen gegen die drei nun vor Gericht Stehenden sowie gegen den Ex-SPD-Politiker Karl Wienand und den früheren Müllunternehmer Hellmut Trienekens, deren Verfahren wegen gesundheitlich eingeschränkter Verhandlungsfähigkeit abgetrennt wurden, noch nicht abgeschlossen. So bekam jetzt Egbert Bischoff ungebetenen Besuch von den Ermittlern. Der Pressesprecher der Kölner CDU und Ex-Trienekens-Prokurist soll sich der Vorteilsgabe schuldig gemacht haben.

„Wir nehmen dazu keine Stellung, weil wir weitere Ermittlungen nicht gefährden wollen“, sagte Oberstaatsanwältin Regine Appenrodt der taz. Im Kölner Rathaus wird indes schon länger vermutet, dass Bischoff die „Landschaftspflege“ der Müllbranche aktiv betrieben haben könnte. Der frühere Ratsherr gilt als enger Vertrauter des wegen dubioser Spenden zurückgetretenen Kölner CDU-Chefs und Landtagsabgeordneten Richard Blömer. Bischoff hat bisher stets jede Schuld von sich gewiesen.