„Wir lassen uns nicht vertreiben“

Rund 5.000 Schüler demonstrieren gegen Schulschließungen und Bildungsabbau. Gemeinsamer Protestmarsch mit Studierenden durch die Innenstadt. Schüler forden „einen Sitzplatz für jeden“. Eltern fürchten lange Schulwege für ihre Kinder

von Kaija Kutter
und Kirsten Poneß

„Unsere Schule muss bleiben, wir lassen uns nicht vertreiben“, skandierten gestern Nachmittag Sechst- und Siebtklässler, als sie durch die Innenstadt zogen. Vorneweg gingen die großen Schüler und etwa 1.000 Studierende, die gegen Studiengebühren protestierten. Wie viele es waren? „5000“, schätzt die SchülerInnenkammer nach einigem Hin und Her. Allein 27 Schulen sollen am Freitag bei der Versammlungsbehörde ihre Teilnahme angemeldet haben. Eine Demo, so scheint es, war nach sieben Monaten unter der parteilosen Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig einfach fällig.

Mit Abordnungen von je 300 bis 400 Schülern waren die von Schließung bedrohten Gymnasien Tonndorf, Barmbek-Uhlenhorst (GUB) und St. Georg in Horn vertreten. „GUB for ever“, oder „Wenn ihr Schulen schließt, wird Bildung nach Piesa noch Mieser“ stand auf den Transparenten. Ob er glaubt, dass Protest die Schule rettet? GUB-Schüler Jan Fredrick weiß es nicht: „Die Hoffnung stirbt zuletzt.“

„An unserer Schule haben die Fünftklässler geweint, als sie von der Schließung hörten“, berichtete Massud Mir vom Gymnasium St. Georg in Horn. Die jetzige elfte Klasse, so wurde gesagt, sei die letzte, die am alten Standort Abitur machen darf. Die übrigen müssen an andere Schulen. Massud: „Seid wir Ganztagsschule sind, haben wir drei Klassen pro Jahrgang. Warum schließen die nicht ein Gymnasium in Blankenese?“ Immerhin liegen dort, so hatte die GAL erst am Vormittag berichtet, gleich drei in nur 500 Metern Luftlinie entfernt.

Die Grundschulen, von denen jede siebte schließen soll, kamen gestern kaum vor. Sie werden von der Kammer nicht vertreten. Gleichwohl hatten sich Abordnungen zur Demo gesellt. „Wir Mütter befürchten, dass wir unsere Jobs aufgeben müssen, weil wir die Kinder zur Schule bringen müssen“, berichtete Mutter Sabine Pommerencke von der Grundschule Berne. Da auch die Nachbarschulen An den Teichwiesen und Schierenberg schließem sollen, liege die nächste Schule Karlshöhe „eine Stunde Fußweg entfernt“. „Wir wollen unsere Grundschule behalten“, forderten auch Eltern der Schule Altonaer Straße. „Anders kann unsere Schule keine Stadtteilschule sein.“

An der Demonstration beteiligten sich auch etliche Gymnasien und Gesamtschulen, die nicht von der Schließung bedroht sind. Doch auch sie haben Gründe, auf die Straße zu gehen, was sich unter anderen in Parolen wie „Dinges-Gierig, nicht mit uns“ und „Ein Sitzplatz für jeden Schüler!“ ausdrückte. „Die Klassen sind extrem voll“, berichtete Vera Weghmann von der Ida-Ehre-Gesamtschule. „Bei 30 Schülern hat jeder nicht mal eine Minute Zeit zu reden.“ „Wir sind auf uns selbst gestellt“, ergänzte ihre Freundin: „Die Lehrer können sich kaum noch kümmern.“

„Wir müssen Bücher kaufen.Als unsere Tafel kaputt war, gab es kein Geld, sie zu reparieren“, so Raùl Seifert vom Kaifu-Gymnasium. Eine siebte Kaifu-Klasse ist dabei, die Kinder haben noch andere Sorgen: „Wir sind die, die nur noch zwölf Jahre bis zum Abi haben. Wir haben immer mehr Stunden und keine Freizeit“, beklagte Dorian, bließ eine Brötchen-Tüte auf und ließ sie wie einen Böller knallen.

Im Übrigen blieb die Demo aber friedlich.