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Archiv-Artikel

Sternstunde für die Fans des VfB Stuttgart

Andreas Hinkel bleibt Vorzeigeschwabe beim Tabellenführer der Fußball-Bundesliga und verzichtet auf viel Geld

STUTTGART taz ■ Oft werden die Anhänger des VfB Stuttgart nicht mehr über den 3:1-Erfolg gegen Hannover 96 diskutieren. Weil Siege des Tabellenführers normal sind. Weil es normal ist, dass Torwart Timo Hildebrand bei seinen Duellen mit den Torjägern die Nerven behält. Normal ist es auch, dass Trainer Felix Magath personelle Notstände perfekt kompensiert. Weshalb es geradezu selbstverständlich erschien, dass Meira-Ersatz Silvio Meißner fürs 2:0 und 3:1 verantwortlich zeichnete. Auch über das 1:0 braucht man sich nicht lange zu unterhalten, weil das Muster für solche Tore bereits unter dem Begriff VfB-Standardsituationen abgelegt ist. Erst dribbelt Alexander Hleb am linken Flügel eine Abwehr nervös, darauf narrt der kleine Philipp Lahm die Gegenspieler, und der Ball fliegt dann präzise zum Vollstrecker – der heißt entweder Kevin Kuranyi oder Imre Szabics. Weil Deutschlands prominentester Kevin an diesem Tag nicht bestens disponiert war, beförderte eben „Ungarns Fußballer des Jahres“ die Kugel ins Netz.

Von weitaus größerer Bedeutung als die Verteidigung der Tabellenspitze war an diesem Nachmittag im Gottlieb-Daimler-Stadion jener Akt, der vor dem Spiel auf der Anzeigetafel angekündigt und später im Medienraum vollzogen wurde: Andreas Hinkels Vertragsverlängerung bis 2007. Gerührt genoss Mama Hinkel in der VfB-Loge die Ovationen für ihren Sohn. Und auch Herbert Hinkel, der für den Filius die Verhandlungen geführt hat, sah zufrieden aus. Er hatte an diesem Morgen nicht nur dem AC Mailand, sondern einigen europäischen und Bundesliga-Spitzenklubs abgesagt. Er ist überzeugt, dass die Familie die richtige Wahl getroffen hat: „Der Andi hat ja schon immer gesagt, sein Leben ist der VfB.“.

Dem Ja des designierten Weltklasseverteidigers zu seinem Stammverein folgten in der Pressekonferenz viele große Worte. Für die Fans des finanziell nicht auf Rosen gebetteten Klubs bedeutete Hinkels Bekenntnis eine Sternstunde: Man kann auch daheim und mit geschätzten zwei Millionen Euro Jahresgehalt glücklich werden. Es müssen nicht unbedingt 3,5 Millionen sein, wie sie in Offerten an die zwei 21-Jährigen Hinkel und Kuranyi herangetragen wurden bzw. noch immer werden. Vorstand Erwin Staudt sieht Hinkels Zusage als Signal dafür, dass die Märchengeschichte vom Aufstieg der jungen Talente fortgeschrieben werden kann. Felix Magath wertet es als „Zeichen von großem Sportsgeist und zugleich auch ein Zeichen für ganz Fußball-Deutschland und die Arbeit von Rudi Völler“. Dass ein junger Nationalspieler nicht dem Lockruf des Geldes erlegen ist, sondern seine sportliche Entwicklung in den Vordergrund stellt, bestätigt die These des Erfolgstrainers. Allerdings war Magath in den vergangenen Wochen, in denen der Poker um seine Jung-Stars schon den ganzen Klub zu spalten schien, nicht immer vom klaren Kurs der Hinkel-Familie überzeugt.

Magath entschuldigte sich deshalb öffentlich bei Herbert Hinkel dafür, dass er ihn während der Vertragsverhandlungen um Gehalt und Laufzeit „falsch interpretiert“ habe. Diese Geste hatte Stil, kein Mensch hatte dies von Magath verlangt. Doch sie zeigt auch, auf welche Weise nun mit Zvonimir Soldo, Marcelo Bordon, Timo Hildebrand und Kevin Kuranyi weitere Leistungsträger langfristig an den VfB gebunden werden sollen. Der VfB möchte eine internationale Topfirma werden, allerdings ein vernünftiges und kalkulierbares Unternehmen – ganz gewiss keine Traumfabrik mit wahnsinnigen Gagen für Ballkünstler und deren Agenten.

In den nächsten Tagen geht es nun für Präsident Staudt vor allem darum, auch noch Kevin Kuranyi zu überzeugen. Der Nationalmittelstürmer hat allerdings ziemlich herumgedruckst bei diesem Thema. Es gehe für ihn darum, „zwischen Kopf und Bauch die richtige Lösung zu finden“. Leute, die Kuranyi näher kennen, werten solche Sätze nicht positiv für dessen bisherigen Arbeitgeber. Und bei dem, was er zu diesem Thema sage, so heißt es, könne man deutlich seinen Berater Roger Wittmann heraushören. MARTIN HÄGELE