Das Wetter ist wichtiger

Abgase aus den Fahrzeugauspuffen sind nur für gut 20 Prozent des Feinstaubs in der Stadt verantwortlich

Etwas mehr als die Hälfte des Feinstaubs in Berlin kommt mit dem Wind von außerhalb. Das Land hat darauf also keinen Einfluss. Bleibt der Rest: Etwa ein Drittel des Feinstaubs in Berlin wird durch den Verkehr verursacht – davon aber auch ein Teil dadurch, dass Fahrzeuge Staub von der Straße aufwirbeln. Die Abgase aus den Auspuffen sind nur für gut 20 Prozent des Feinstaubs verantwortlich. Selbst große Einsparungen bei der Fahrzeugtechnik führen insgesamt nur zu geringer Feinstaubreduzierung.

Das relativiert auch das Sinken der Dieselrußemission um 24 Prozent infolge der Einführung der Umweltzone: Die Gesamt-Feinstaubbelastung in Berlin ist dadurch nur um 3 Prozent gesunken. „Das sieht auf den ersten Blick nicht so großartig aus“, sagt Martin Lutz vom Immissionsschutz-Referat der Umweltverwaltung. „Aber es gibt keine andere Maßnahme, mit der wir den Feinstaub so wirksam vermindern könnten.“

Und noch ein großer Faktor ist nicht zu beeinflussen: Das Wetter. Wenn der Wind durch die Stadt weht, fegt er den Feinstaub schnell raus nach Brandenburg. Bei Windstille hängt der Feinstaub dagegen in den Straßen. Darum wird derzeit mehr Feinstaub gemessen als im Vorjahr. Lutz: „Der Winter war kalt, da wurde viel geheizt, und es gab außerdem wenig Luftaustausch.“ Ganz anders als im Jahr zuvor, „wo ja kaum Winter war“.

Im kommenden Jahr verschärft Berlin die Regeln für die Umweltzone: Dann dürfen nur noch Autos mit einer grünen Plakette in der Stadt unterwegs sein. Wer mit einer gelben oder roten Plakette unterwegs ist, darf dann nicht mehr in den S-Bahn-Ring. Berlin gehört damit bundesweit zu den Vorreitern – die meisten anderen Städte warten noch ab oder wollen auch Fahrzeuge mit einer gelben Plakette tolerieren.

Die von der Europäischen Union vorgegebenen Ziele zur Stickoxidbelastung wird Berlin im kommenden Jahr wohl dennoch nicht schaffen. Lompscher: „Man kann, glaube ich, schon jetzt prognostizieren, dass das nicht gelingen wird.“

Heiko Melzer, Wirtschaftspolitiker der CDU-Fraktion, fordert angesichts der lediglich minimalen Feinstaubentlastung eine Verschiebung der zweiten Umweltzonenstufe auf 2012. Es gebe „erhebliche finanzielle Belastungen von Verbrauchern und der Berliner Wirtschaft“. Gerade in der Wirtschaftskrise müsse der Senat Arbeitsplätze erhalten statt gefährden.

Lompscher weist die Kritik zurück: „Die Unkenrufe, dass Unternehmen in Konkurs gehen oder die Touristen ausbleiben, sind verhallt.“ Die Industrie- und Handelskammer habe keinen einzigen Betrieb benennen können, der wegen der Umweltzone in die Insolvenz gegangen sei. Und die Zahl der Touristen ist im vergangenen Jahr gestiegen und nicht gesunken.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz fordert noch weitere Anstrengungen. Um die EU-Ziele einzuhalten, seien „weitere Maßnahmen unumgänglich“, so Verkehrsreferent Martin Schlegel. „So muss in mehrspurigen Hauptverkehrsstraßen in der Innenstadt der Autoverkehr deutlich verringert, weitere Tempo-30-Abschnitte sollten ausgewiesen werden.“ Auch der Ersatz von viel genutzten Buslinien durch neue Straßenbahnstrecken würde die Qualität der Luft deutlich verbessern. SEBASTIAN HEISER