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Archiv-Artikel

Der Erbe von Pim Fortuyn

Der niederländische Politiker Geert Wilders galt als Witzfigur, doch jetzt hätte er mit einer Rechtspartei Chancen

Selbst Meinungsforscher sind überrascht: Vor zwei Wochen noch hätte Geert Wilders bei Wahlen in den Niederlanden nur mit drei Parlamentssitzen rechnen können, falls er eine Partei gründet. Jetzt käme er auf 18 Abgeordnete in Den Haag. Dazwischen liegt der Mord an dem Filmemacher Theo van Gogh, der in Amsterdam von einem Islamisten erschossen wurde.

„Jahrelang haben wir über Wilders gelacht“, seufzt ein eher linker Journalist, „das ist vorbei.“ Nun ist Wilders unübersehbar populär – durch seine radikale Islamkritik. Der Koran ist für ihn „faschistoid“, mit den Muslimen in den Niederlanden scheint ihm keine Verständigung möglich: „Die meisten Ausländer bringen einen Glauben mit, der dem Kern unserer demokratischen Ordnung wesensfremd ist.“

Lange wurden diese Äußerungen nicht sehr ernst genommen, war doch Wilders die Witzfigur im Parlament. Seine Kollegen nannten ihn die „blonde Dolly“, den „blonden Engel“ oder auch nur „Mozart“. Besonders seine Haare fallen auf, die Wilders klassisch mit Wasserstoffperoxyd färbt. Strohig und fahlgelb kämmt er sie streng nach hinten. Und damit auch jeder die Inszenierung bemerkt, bleibt ein Zentimeter vom hellbraunen Haaransatz stets ungefärbt. Die Wirkung lässt an eine Perücke aus dem 18. Jahrhundert denken – daher der Spitzname „Mozart“.

Seit 1998 ist der 41-Jährige Parlamentsabgeordneter in Den Haag. Ursprünglich gehörte er der liberalen Regierungspartei VVD an. Mit seiner Islamkritik wurde er schnell ein Medienstar. Seine Partei ließ ihn gewähren, um den rechten Rand der Wähler zu binden. Allerdings war es kein Geheimnis, dass es den ebenfalls eitlen Fraktionsführer Jozias van Aartsen störte, dass der einfache Abgeordnete Wilders so viel Aufmerksamkeit genoss.

Zum Bruch kam es im September über die Frage eines EU-Beitritts der Türkei. Die VVD gibt sich wohlwollend. Wilders hingegen besteht darauf, dass die Türkei ein rückständiges und asiatisches Land sei, das nur Geld verschlingen würde. Und dann noch die Islamisten dort!

Wilders trat aus der Partei aus und sitzt nun als Unabhängiger im Parlament. Gleichzeitig kündigte er eine „rechte“ Partei an. Schon diese Wortwahl war ein Signal. Denn in den Niederlanden nennt sich niemand rechts. Selbst die konservative CDA besteht darauf, liberal zu sein. Wilders machte damit deutlich, dass er auf die ehemaligen Pim-Fortuyn-Wähler zielt. Die sind momentan heimatlos. Fortyns Partei kam nach seiner Ermordung 2002 auf 26 Parlamentssitze, doch schon 2003 musste sie sich mit acht begnügen. Inzwischen ist sie heillos zerstritten.

Wilders hat nur ein Problem: Die Wähler sind nicht restlos von ihm überzeugt. Er scheint eine Rolle zu spielen, während Pim Fortuyn ganz er selbst war: Dandy, arrogant, schwul, bissig. Wilders hingegen ist ein normaler Konservativer, an dem nur seine perückenhafte Frisur auffällt. „Fortuyn war Oper“, sagt ein Beobachter, „Wilders ist Operette.“

ULRIKE HERRMANN