: Selbst der Star ist ein bedrohter Vogel
43 Prozent der Vogelarten in Europa sind bedroht. Neue Bestandsaufnahme. Besonders die Modernisierung der Landwirtschaft in den EU-Beitrittsländern stellt eine Gefahr dar. Wenige Beispiele für positive Wirkung von Naturschutz
BERLIN taz ■ In Europa ist jede vierte Vogelart bedroht, darunter auch weit verbreitete Arten wie Haussperling und Star. Für 45 Arten hat sich die Situation in den letzten zehn Jahren deutlich verschlechtert. Das geht aus der europäischen Vogelstatistik „Birds in Europe 2004“ der Organisation Bird Life International hervor.
Die Zukunft von 226 Arten ist ungewiss, stellen die Naturschützer fest. Die Studie zeige, welche enorme Aufgabe sich die EU mit dem Ziel gestellt habe, den Verlust von Wildtieren bis 2010 zu stoppen, sagte Clairie Papazoglou, Leiterin des Brüssler Bird-Life-Büros am Montag. Nur 14 Vogelarten konnten sich seit der letzten Erhebung 1994 erholen, darunter Weißstorch, Wanderfalke und Seeadler. Die Studie ist die europäische Version der „Roten Liste der Brutvögel“, die der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) regelmäßig veröffentlicht. Sie enthält Angaben über den Vogelbestand in 52 Ländern des Kontinents. Der Nabu ist Mitglied von Bird Life International.
In Deutschland sind der Erhebung zufolge 92 der 253 einheimischen Arten bedroht. „Die Situation hat sich eindeutig verschlechtert. Der Trend in Deutschland ist der gleiche wie in Europa“, sagte Markus Nipkow, Vogelexperte des Nabu der taz. Viele Vögel, die früher weit verbreitet waren, beispielsweise Bekassine und Uferschnepfen, könnten nur noch in Naturschutzgebieten überleben. 35 Arten, die vor zehn Jahren noch in großer Zahl in Europa lebten, zählen inzwischen zu den Beständen mit „globalem Naturschutzbelang“, deren Entwicklung die Naturschützer mit Sorge beobachten. Dazu zählen viele ziehende Watvögel, Sperlingsvögel, einige Enten und Seevögel, aber auch Sperling und Star, die eigentlich häufig vorkommen.
Hauptproblem für die Vögel sei die intensivierte Landwirtschaft. Davon sind laut Nabu Vögel wie der Kiebitz betroffen, der im Gras brütet und häufig Opfer von Mähmaschinen wird. Dramatischer als in Deutschland sehe es in anderen Ländern aus. „In Griechenland und Spanien hat sich die Situation durch die EU-Agrarpolitik deutlich verschlechtert“, sagte Nipkow. Jetzt seien auch Bestände in den EU-Beitrittsländern bedroht, wenn die dortige Landwirtschaft sich den EU-Standards anpasst.
„Die Tatsache, dass mehr Vögel in Europa in eine ungewisse Zukunft blicken, als zehn Jahre zuvor, ist zutiefst beunruhigend“, sagte Papazoglou. 43 Prozent der 524 Vogelarten in Europa stuft Bird Life als bedroht ein.
Zwar konnten stark bedrohte Arten in Naturschutzgebieten erhalten werden, sagte Nabu-Experte Nipkow. „Noch ist es nicht gelungen, ausreichenden Naturschutz in die Fläche zu transportieren“, bemängelt er. Wichtig sei die Kombination von lokalen Aktionen und politischer Lobbyarbeit. Die Erholung des Wanderfalken, seit den 70er-Jahren gesetzlich geschützt, ist dafür ein gutes Beispiel. DANIEL ZWICK