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Archiv-Artikel

Inhaltlich gegen null

Auf einem Podium des Mietervereins werfen Experten dem Senat vor, er habe sein Leitbild Wachsende Stadt nicht ausreichend unterfüttert: Jährlich müssten 9.000 Wohnungen gebaut werden, im vergangenen Jahr waren es lediglich 3.700

von GERNOT KNÖDLER

Eine Expertenrunde, die im Anschluss an eine Mitgliederversammlung des Mietervereins zu Hamburg über die Wohnungspolitik diskutierte, hat den Senat davor gewarnt, jetzt das Ruder falsch zu stellen. „Die Wohnungsbaupolitik ist wie ein Tanker“, sagte die SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Barbara Duden, der müsse bezeiten auf Kurs gebracht werden. Zuvor hatten die Vereinsmitglieder einen Forderungskatalog an den Senat verabschiedet, mit dem Ziel den Schutz der Mieter gegen Verdrängung zu erhalten (s. Kasten).

Das Podium war sich mehrheitlich einig, dass in Hamburg derzeit viel zu wenige Wohnungen gebaut werden. Während in den 90er Jahren durchschnittlich 8.000 Wohnungen errichtet worden sind, waren es 2001 nur gut 5.000 und im vergangenen Jahr 3.700. Um ein Bevölkerungswachstum von zwei Prozent aufzufangen, müssten dagegen 9.000 Wohnungen im Jahr gebaut werden, rechnete Joachim Wege, Direktor des Verbandes norddeutscher Wohnungsunternehmen e. V. vor, in dem 319 genossenschaftliche und öffentliche Wohnungsunternehmen Norddeutschlands organisiert sind. „Die Zielsetzung Wachsende Stadt ist angesichts dieser Zahlen absurd“, sagte Wege.

Die GAL-Bürgerschaftsabgeordnete Antje Möller kritisierte, dass das Räumen einer Sozialwohnung nicht mehr mit Punkten bei der Vergabe von Baugrundstücken honoriert werde. „Der inhaltliche Gehalt aller Aussagen zur Wachsenden Stadt geht gegen null“, resümierte Möller.

Willi Rickert, der als Leiter des Amtes für Wohnen bei der Baubehörde als Einziger von Regierungsseite der Einladung gefolgt war, sah das naturgemäß anders als die GAL-Politikerin. Mit mehr als 500 Millionen Euro sei der Wohnungsbau im vergangenen Jahr gefördert worden. Diese Förderung schlägt sich zeitverzögert in Neubauten nieder. Nirgends in Deutschland liege die Förderung pro Kopf so hoch wie in Hamburg. Die Neubau-Zahlen für 2002 stellten einen „Tiefststand“ dar.

Auch die übrigen Sorgen der Mieterlobby erklärte Rickert für unbegründet. Von knapp 133.000 Wohnungen in öffentlichem Besitz (Stand 2001) sollten nur gut 2.200 verkauft werden, versicherte er. Die Soziale Erhaltungsverordnung und die Umwandlungsverordnung sollten lediglich in Eimsbüttel-Nord/ Hoheluft-West sowie Barmbek-Süd/Uhlenhorst abgeschafft werden, weil nicht zu erwarten sei, dass sie dort griffen.

Die Sozialklausel-Verordnung, nach der Mieter zehn Jahre lang nicht gekündigt werden dürfen, nachdem ihre Wohnung in eine Eigentumswohnung umgewandelt worden war, wolle der Senat erhalten. Die Zweckentfremdungsverordnung wolle der Senat flexibler gestalten, was er im Bundesrat bereits durchgesetzt habe. „Es gibt Gebiete, da hätten wir gerne Zweckentfremdung“, sagte Rickert, „zum Beispiel in Kirchdorf-Süd.“ Hamburg als Stadtstaat kann diese Verordnung im Gegensatz zu den Flächenländern nur für das ganze Land erlassen oder gar nicht.

Dass es nicht genügt, städtische Wohnungsunternehmen nur zu haben, machte Dieter Ackermann von der Caritas klar. „Ich ärgere mich zunehmend über Saga und GWG“, sagte Ackermann. Während beide Wohnungsgesellschaften Obdachlosen und von Obdachlosigkeit bedrohten Menschen 1997 noch 665 Wohnungen angeboten hätten, waren es im Vorjahr nur noch 272 – dies angesichts der Tatsache, dass ein hoher Prozentsatz Haftentlassener auf der Straße lande und sich die Justiz für sie nicht zuständig fühle. „Das Teuerste für eine Kommune ist ein Obdachloser“, so Ackermann.