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Archiv-Artikel

„Dem Handel Sand ins Getriebe geschüttet“

Aus Schöneberg-Nord wurden die Dealer vertrieben. Denen sei es dort durch die ständige Präsenz der Polizei zu ungemütlich geworden, sagt Hauptkommissar Henry Maiwald. Die Polizei allein könne das Problem aber nicht lösen

taz: Herr Maiwald, in Schöneberg-Nord spielen Drogendealer keine große Rolle mehr. In den 90er-Jahren war das noch anders. Wie lautet das Erfolgsrezept des Polizeiabschnitts 41?

Henry Maiwald: Wir haben Sand in das Getriebe des Handels geschüttet. Wir haben uns gesagt: Drogenhandel ist ein Geschäft. Wie bei einem ganz normalen Geschäft müssen die Rahmenbedingungen verschlechtert werden, um den Standort Schöneberg-Nord unattraktiv zu machen.

Was genau hat die Polizei getan?

Wir haben mit Unterstützung der Amtsvormundschaft dafür gesorgt, dass die überwiegend jugendlichen Dealer nicht mehr hier im Innenstadtbereich wohnen. Außerdem hat die Amtsvormundschaft veranlasst, dass den Jugendlichen die Sozialhilfe – damals 400 Mark – nicht mehr als monatlicher Gesamtbetrag ausgezahlt wurde, sondern in wöchentlichen Raten. Wer bei der Festnahme mit mehr Geld in der Tasche angetroffen wurde, musste Rechenschaft darüber ablegen, woher das Geld kam.

Und womit haben Sie die Dealer letztlich vertrieben?

Indem wir an den einschlägigen Stellen immer wieder präsent waren. Unser Anspruch war nicht, die Drogenhändler beweissicher festzunehmen. Durch ständige Anwesenheit und Verfolgungsdruck ist ihnen Schöneberg einfach zu ungemütlich geworden.

Seit geraumer Zeit wird auf den U-Bahn-Linien 6, 8 und 9 – Wedding, Mitte und Neukölln – gedealt. Warum ist die Polizei dort so machtlos?

Ich kenne die Bedingungen vor Ort zu wenig, um dazu etwas sagen zu können. Entscheidend ist, dass man über den Tellerrand schaut und sich darüber informiert, was andere machen.Wir tun das seit 1997. Von den Verkehrsbetrieben der Hansestadt Bremen haben wir zum Beispiel erfahren, dass dort schon der Verdacht, mit Drogen zu handeln, genügt, um ein einjähriges Hausverbot für die Bahn zu bekommen. Das war 1997 ziemlich revolutionär. Wir haben das damals der BVG vorgelegt. Die hat aber Bedenken erhoben.

Gucken andere Polizeiabschnitte in Berlin nicht über den Tellerrand?

Das zu beurteilen möchte ich mir nicht anmaßen. Das Problem ist eher, dass jeder versucht, das Rad neu zu erfinden. Es gibt gute Ansätze, und in Teilbereichen findet auch eine Vernetzung statt. Ich weiß nicht, warum es an dem einen Ort klappt und an dem anderen nicht. Bei uns hat eine Mischung von Maßnahmen zum Rückzug der Szene geführt.

Schöneberg ist das Problem los, dafür haben es andere. Verdrängung an sich ist auf Dauer auch keine Lösung.

So ist es. Man kann es ganz deutlich sehen: Sobald Neukölln und Kreuzberg den Verfolgungsdruck erhöhen, schreit Mitte auf, weil die Szene sich nach dort verlagert. Die Polizei allein kann das Problem nicht in den Griff bekommen. Auch andere wie die BVG müssen sich bewegen.

Dadurch wird der Drogenhandel letztendlich auch nicht abgeschafft.

Was den Menschen Angst macht, ist nicht der einzelne Dealer, der dem Konsumenten heimlich etwas zusteckt. Es ist vielmehr die Begleitkriminalität und dass Kinder und Jugendliche als Drogenbunker benutzt werden. Wenn es uns gelingt, durch Präsenz und strafprozessuale Maßnahmen zu verhindern, dass sich der Drogenhandel festsetzt, haben wir schon viel gewonnen.

INTERVIEW: PLUTONIA PLARRE