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Archiv-Artikel

Faustdick im Finale

Erneut verlieren Deutschlands Faustballer das Weltmeisterschafts-Endspiel gegen Brasilien

PORTO ALEGRE taz ■ Sie heißen Süffert, Kohlmann oder Schuch. Auch äußerlich sieht man den meisten Spielern der brasilianischen Faustball-Nationalmannschaft ihre deutsche Abstammung durchaus an. Ähnliches gilt für die Namibier, und das italienische Team wird von Südtirolern gebildet. Doch von Deutschtümelei war auf der 11. Faustball-WM der Männer in Südbrasilien nichts zu spüren.

Die Sportart, der ein wenig der Ruf des Antiquierten anhaftet, kann auf eine lange Geschichte zurückblicken: Bereits im 3. Jahrhundert vor Christus erwähnte der römische Dichter Titus Maccius Plautus das Spiel. Kaiser Gordanius III. ließ ein halbes Jahrtausend später eine Gedenkmünze mit drei Männern und einem Faustball prägen. Auf seiner Italienreise 1786 war Goethe bei einem Match zwischen je vier „edlen“ Veronesern und Vincentinern dabei, das vor vier- bis fünftausend Zuschauern stattfand. In Deutschland kam es erst hundert Jahre später auf dem Turnfest in Dresden zu einem offiziellen Faustballturnier. Kurz darauf folgte das erste Regelwerk, und deutsche Auswanderer verbreiteten das Spiel in Südwestafrika und Südamerika. Unabhängig davon trat Volleyball von den USA aus seinen Siegeszug um die Welt an.

In Porto Alegre, wo seit 1911 gefäustelt wird, schickte jetzt eine brasilianische Produktionsfirma über Satellit Fernsehaufnahmen in knapp 40 Länder. Zwei Moderatoren kommentierten das Geschehen mit britischem und US-Akzent. Englisch wurde zur zweiten offiziellen Faustball-Sprache gekürt, der Weltverband heißt nun International Fistball Association. Der Weg zur Olympiasportart ist aber noch weit – gerade 14 Verbände zählt die IFA. Aus dem jetzt aufgenommenen Indien konnte Präsident Ernesto Dohnalek eine „rasante Entwicklung“ mit bereits 28 Unterverbänden und rund tausend Aktiven vermelden, doch auf die indische Mannschaft warteten die Fans vergeblich: Aus Sorge, die Spieler könnten nach der einwöchigen WM im Lande bleiben, verweigerte ihnen Brasilien das Einreisevisum.

Ihr erstes Länderspiel überhaupt gewannen die Japaner – gegen Dänemark, das Team mit den Wikingerhelmen. Gegen Chile behielt Argentinien die Oberhand. Für Stimmung auf den Rängen sorgten vor allem die SchlachtenbummlerInnen der „großen vier“ Brasilien, Österreich, Schweiz und Deutschland, bis 1995 immerhin neunfacher Weltmeister. „Hopp Schwyz“-Sprechchöre, „Immer wieder Österreich“-Gesänge und afrobrasilianische Trommelwirbel hallten über das Gelände des Traditionsclubs Sogipa Porto Alegre. Der deutsche Fanblock scharte sich um drei Damen mit schwarz-rot-goldenen Perücken. Eine davon, Ina Pannewig, ist selbst Faustball-Nationalspielerin. Die Frau des Angreifers Niels Pannewig kommentierte die Spiele anschließend im Internet.

Standesgemäß gewannen die Favoriten aus Österreich alle Vorrundenspiele. Die Stars des amtierenden Weltpokalsiegers Linz Urfahr, allen voran Martin Weiß, schmetterten den prallen Lederball immer wieder souverän durch die Abwehrformationen ihrer Gegner. Selbst Gastgeber Brasilien musste sich mit 0:2 Sätzen geschlagen geben. Die junge deutsche Mannschaft um die Routiniers Pannewig und Jens Kolb landete zunächst hinter der Schweiz auf Platz vier.

Entsprechend siegessicher zog das „Team Austria“ in das Halbfinale. Doch bei hochsommerlichen Temperaturen überrumpelte die deutsche Fünfer-Formation im klassischen Schwarzweiß die Alpen-Cracks: Die Defensivspieler Sascha Ball und Sven Varnhorn parierten glänzend, Martin Weiß wurde erstmals nervös und brachte mit seinen Fehlern die ganze Mannschaft aus dem Konzept. Nach dem ersten Satzverlust mit 13:20 und einem 10:13-Rückstand im zweiten Satz fingen sich die Österreicher, zogen auf 18:15 davon und schienen das Blatt doch noch wenden zu können. Aber nach dramatischen Ballwechseln siegte Deutschland 22:20.

Auf den Triumph folgte die Ernüchterung: Im Endspiel blieben die Deutschen gegen die fehlerfrei aufspielenden Brasilianer völlig chancenlos. Zur Schlüsselfigur wurde Starangreifer George Schuch mit knallharten und platzierten Bällen in Serie. 20:12, 20:13, 20:8 – das Sogipa-Stadion stand Kopf. Brasilien wiederholte damit den Sieg von 1999. In zwei Jahren trifft man sich wieder, bei den World Games in Duisburg. GERHARD DILGER