Einmal um die Polkappe

Arved Fuchs und seine Crew durchqueren innerhalb von zweieinhalb Jahren die Nordost- und die Nordwestpassage. Ein Herbststurm, der das Packeis vertreibt, und eine Flucht vor der gefrierenden See ermöglichen eine zeitige Heimkehr

Aus HamburgGernot Knödler

Einem Segelkutter, der sich ins arktische Eis begibt, kann bisweilen auch die kanadische Küstenwache nicht helfen. Als das Expeditionsschiff des Bad Bramstedter Abenteurers Arved Fuchs im September 2003 in der Nordwest-Passage im Eis festsitzt, schicken die Kanadier einen Eisbrecher. Fuchs geht an Bord und schaut sich an, was passiert, wenn der 18.000 PS starke Koloss das meterdicke Eis unter sich zermalmt: Tonnenschwere Eisblöcke schnellen im Schraubenwasser nach oben. Die Crew ist sich schnell einig: „Mit einem Schiff wie der Dagmar Aaen kann man so einem Eisbrecher nicht folgen.“ Fuchs uns seine Leute haben Glück: Nach knapp zwei Wochen bricht der Wind das Packeis auf und der mehr als 70 Jahre alte Haikutter kann die Siedlung Cambridge Bay anlaufen, um in diesem Spätsommer einen neuen Versuch zu wagen.

Gestern ist die Dagmar Aaen unter großem Aufgebot in Hamburg eingelaufen. Ein Löschboot fuhr spritzend vorneweg, der Lotsenschoner Elbe 5 hinterdrein und ein paar Barkassen drumherum. Es wurde geböllert, gebimmelt und geheult. Vor zweieinhalb Jahren sind Fuchs und seine Crew hier aufgebrochen. Inzwischen haben sie 20.000 Meilen, oft in schwerer See, zurückgelegt und dabei einmal den Nordpol umrundet: zuerst entlang der Küste Eurasiens zu den Aleuten und dann, in zwei Anläufen, die Küsten Kanadas und Grönlands entlang wieder zurück. Bereits 1993 hatte Fuchs die Nordwestpassage von Osten nach Westen durchsegelt.

Die 18 Meter lange Dagmar Aaen scheint die Gewalttour gut überstanden zu haben. Die rote Farbe auf dem blechverkleideten Rumpf ist an der Wasserlinie abgeschrabbelt, an exponierten Stellen hat der Bootslack gelitten. Doch die Konstruktion aus sechs Zentimeter dicken Eichenbohlen und dicht sitzenden Eichenspanten ist auf Fahrten durch Packeisfelder und das Überwintern in vereisten Fjorden hin ausgelegt worden.

Der Crew, die mit glücklichen Gesichtern in das Begrüßungsgedränge kuckt, hat der Kutter einiges abverlangt. Bei einer Hauptkajüte von zwei mal vier Metern und winzigen Kojen gibt es eine Privatsphäre nur auf dem Klo. So über viele Monate zu leben, „das kann nicht jeder“, sagt Fuchs. Wer sich auf einem so kleinen Schiff in eine so gewaltige Natur wagt, müsse sich arrangieren. Dafür lerne er sich selbst kennen und erlebe Dinge, die niemals verblassten. „Die Bilder bleiben ganz präzise im Kopf bestehen“, sagt Fuchs.

Weil das so ist und er seit 25 Jahren polare Gebiete bereist, glaubt Fuchs, etwas zum Klimawandel sagen zu können: Während ihm ungewöhnlich warmes Wetter die Nordostpassage erleichterte, hatte er bei der Nordwestpassage mit schweren Stürmen und einem frühen Winter zu kämpfen. Das Problem des Klimawandels sei eben komplexer, als es in Deutschland oft wahrgenommen werde.

Um dem abzuhelfen haben drei Schulen aus Wittstock, Rathenow und Hamburg die Fahrt aus der Ferne mitverfolgt. Per e-mail löcherten sie die Crew mit Fragen, um Erkenntnisse aus erster Hand zum Treibhauseffekt und zur Ökologie der Eisbären zu gewinnen. Erwiesen ist Fuchs zufolge, dass die Eisdecke kleiner wird und damit der Lebensraum dieser Tiere. Die Schüler hätten aus eigenem Antrieb geforscht, berichtet die Wittstocker Schulleiterin Sabine Steinbach und lobt Fuchs: „Sie haben etwas geleistet, was kein Lehrer leisten kann.“