Kroaten stimmen für Machtwechsel

Bei den Parlamentswahlen siegt die konservative Partei des ehemaligen Staatspräsidenten Franjo Tudjman HDZ klarer als erwartet. Um jedoch allein zu regieren, reicht es nicht. Und die Suche nach Koalitionspartnern dürfte schwierig werden

AUS SPLIT ERICH RATHFELDER

Die Mehrheit der fast vier Millionen Wähler Kroatiens hat am Sonntag für einen Machtwechsel gestimmt. Nach der bisherigen Auszählung zeichnet sich ein Sieg des konservativen Lagers bei den Parlamentswahlen ab. Danach erhält die bisher oppositionelle „Kroatische Demokratische Gemeinschaft“ (HDZ) allein 61 der 140 zu vergebenden Sitze, zusammen mit den Bündnispartnern insgesamt 73. Zusätzliche 8 Sitze sind Minderheiten und bis zu 14 je nach Wahlbeteiligung Auslandskroaten vorbehalten. Als Tendenz zeichnet sich jedoch auch bei den Auslandskroaten ein Wahlsieg der HDZ ab. Das amtliche Endergebnis wird erst am 6. Dezember veröffentlicht.

„Das ist ein brillanter Sieg, wir sind die klaren Gewinner“, erklärte der Chef der Partei, Ivo Sanader, gestern. Dem 50-jährigen, aus Split stammenden Sanader ist ein Ergebnis gelungen, das die vorausgehenden Umfragen weit übertrifft. Damit kann die vom ehemaligen Präsidenten Franjo Tudjman gegründete HDZ, die bei den letzten Wahlen im Januar 2000 eine vernichtende Niederlage hinnehmen musste, voraussichtlich die Macht im Staat wieder übernehmen.

Demgegenüber mussten die Sozialdemokraten Federn lassen und kommen nur noch auf 44 Sitze – zusammen mit ihren Koalitionspartnern erreicht das Regierungslager nur mehr 64 Sitze. Innerhalb des Regierungslagers konnte sich die Volkspartei zwar auf 10 Sitze verbessern, gleichzeitig verlor jedoch die Bauernpartei an Stimmen.

Noch sind die Gründe für die Niederlage der bisher regierenden Koalition nicht aufgeschlüsselt. Einig sind sich jedoch fast alle Beobachter darin, dass die Koalition bei der Demokratisierung des Staates, bei der Wirtschaftsreform und in ihren Außenbeziehungen durchaus Erfolge vorzuweisen hat. Vesna Pusić, Vorsitzende der ihre Position verbessernden Kroatischen Volkspartei, erklärte, der Koalition sei es nicht gelungen, ihre Erfolge in der Öffentlichkeit darzustellen.

Doch trotz seines Sieges – allein regieren wird Ivo Sanader nicht können. Und die Bildung einer Koalitionsregierung dürfte nicht ganz einfach werden. Das Parteiensystem Kroatiens ist nämlich bei dieser Wahl kräftig in Bewegung geraten. Vernichtend geschlagen wurde die bisherige dritte Kraft Kroatiens, die Sozialliberalen (HSLS), die vor einem Jahr die regierende Koalition verließen und gerne mit Sanader koalieren würden. Sie erreichten aber nur noch 3 von ehemals 22 Sitzen. Nach bisherigen Analysen liefen ihnen die Wähler in Richtung HDZ davon.

Der frühere Präsidentschaftskandidat Drazen Budisa und Ex-Außenminister Mate Granić zählen damit zu den großen Verlierern der Wahlen. Dagegen konnten sich die rechtsradikale Partei des Rechts mit 9 Sitzen gut behaupten.

Für Ivo Sanader, der seine proeuropäische Position betont, ist die Schlappe der Sozialliberalen nicht angenehm. Denn ihm bleiben für die Regierungsbildung nun nur die Stimmen der Partei des Rechts. Eine Koalition mit den Rechtsradikalen jedoch brächte ihm in Bezug auf seine Europapolitik nur Nachteile. Deshalb begann er schon in der Wahlnacht mit der bisher im Regierungslager befindlichen Bauernpartei zu flirten. Deren Vorsitzender, Zlatko Tomcić, der vor den Wahlen schon auf Distanz zu den Sozialdemokraten gegangen war, gab Freundlichkeiten zurück. Er muss jedoch auch auf die innerparteiliche Symmetrie achten. Und nicht alle seine Parteifreunde wollen das politische Lager wechseln. So stehen Kroatien trotz des Wahlsieges der HDZ komplizierte Verhandlungen bevor, bis tatsächlich eine Regierung gebildet werden kann.

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