: Widersprüchliche Daten über HIV-Epidemie
Südafrikanische Aidsforscher sind besorgt: Auch ein hoher Kenntnisstand über HIV und Aids verändert nicht zwangsläufig das Sexualverhalten
Über wie viel Faktenwissen zum Thema HIV/Aids die Menschen im südlichen Afrika verfügen, ist überprüfbar. Festzustellen, ob und wie dieses Wissen angewandt wird, erweist sich schon als schwieriger. Geht es aber darum, verlässliche Daten zur Verbreitung von Aids und zu HIV-Infektionen zu erheben, sind sich Experten in der Frage der richtigen Methode nur in einem Punkt einig: ihrer Uneinigkeit.
Nach Angaben von Unaids lag allein im Jahr 2003 im südlich der Sahara gelegenen Teil Afrikas die Zahl der Neuinfektionen bei schätzungsweise drei Millionen. 2,2 Millionen Menschen starben an Aids.
Sowohl in der Bekämpfung von HIV/Aids als auch in der statistischen Erfassung mit der Epidemie zusammenhängender Fakten zeigt sich jedoch der Faktor Mensch als unberechenbar. Kondomgegner glauben, dass die Verbreitung von Präservativen mehr vor- und außerehelichen Geschlechtsverkehr zur Folge hat. Befürworter implizieren: Kondombesitz heißt -gebrauch und das bedeutet niedrigere Krankheitszahlen.
Einer Studie im Königreich Lesotho zufolge gibt es dort sogar eine beträchtliche Anzahl Jugendlicher, die aus dem gleichzeitigen Anstieg der Zahl von Kondomen und Aids-Fällen folgerte, Präservative verbreiteten den HI-Virus.
So ist auch bei Statistiken Vorsicht geboten. Grund für sinkende Infektionsraten wie beispielsweise in Uganda kann mehr Schutz beim Geschlechtsverkehr sein. Eine ebenso mögliche Erklärung wäre aber, dass ein großer Teil der Infizierten gestorben ist. Angesichts solcher Fragen gewinnen Untersuchungen zum Sexualverhalten zunehmend an Bedeutung. Yolisa Mashologu, Aids-Expertin im Gesundheitsministerium von Lesotho, sagt, sie wisse nicht, welche Konsequenzen die Menschen ziehen, wenn Angehörige an Aids sterben. Alles, was sie habe, sei ein Übermaß an unbrauchbaren Erhebungen. In ihren Augen sind Zahlen aus Kliniken zur Verbreitung des HI-Virus unter Schwangeren oder zu Geschlechtskrankheiten „willkürlich“.
Als Begründung nennt sie beispielsweise, dass viele Menschen die Schulmedizin meiden und nicht alle Schwangeren Krankenhäuser aufsuchen. Doch auch umfassendere Studien geben keine sicheren Auskünfte. Die drei großen Haushaltsbefragungen zu Aids in Lesotho lieferten jeweils unterschiedliche Zahlen.
Wie viele andere Forscher stützt Mashologu sich deshalb auf die Zahl der Todesfälle. Das Problem bei dieser Methode besteht darin, dass die Ursache für die Aids-Erkrankung nicht mehr feststellbar ist. Auch Shisanas Rückgriff auf die Zahl der Fälle von Geschlechtskrankheiten als Indikator für das Sexualverhalten der Menschen ist fragwürdig.
Werden Studien im Auftrag von Firmen durchgeführt, geraten sie leicht in den Verdacht, vorherbestimmte, von Marketinginteressen vorgegebene Ergebnisse zu haben. Eine Studie des Kondomherstellers Durex spiegelt jedoch die Erkenntnis vieler Experten: Ein hoher Kenntnisstand zum Thema Aids bewirkt nicht zwangsläufig eine Veränderung des Sexualverhaltens. CHRISTIAN SCOTT/IPS