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Archiv-Artikel

DER BAUM DES JAHRES 2005 IST EIN BALKAN-ZUWANDERER Rosskastanie? Zum Fressen gern

Nach der Weißtanne, der Schwarz-Erle, dem Wacholder und der Esche nun also die Rosskastanie. Das hat gestern das Kuratorium „Baum des Jahres“ bekannt gegeben. Ab nächstem Jahr wird sich unser mächtigster Biergartenbaum noch größerer Beliebtheit und Fürsorge erfreuen, als dies schon jetzt der Fall ist – als „Baum des Jahres 2005“.

Nun kann man dem Aesculus hippocastanum L, wie die Rosskastanie hochbotanisch heißt, allerlei nachsagen, was preisverdächtig wäre: ihre mächtige und gleichförmige Krone, ihren prächtigen Blütenstand, der den Wonnemonat Mai ankündigt, ihr dichtes Blattkleid und nicht zuletzt ihre Früchte, aus der sich so lustige Männlein bauen lassen. All das wäre für sich schon „Baum des Jahres“-reif. Am Ende war es aber kein botanisches Kriterium, das der Rosskastanie die begehrte Auszeichnung brachte, sondern ein widerlicher Kleinfalter – die Miniermotte. Die frisst sich schon im Juni durch die Kastanienblätter und bringt sie manchmal schon im Sommer zu Fall.

Ende der Neunziger aus dem Balkan Richtung Nordwesten vormarschiert, steht die gefräßige Motte seitdem für die Ohnmacht des baumliebenden Menschen gegen einen Parasiten, gegen den es noch immer kein Gegenmittel gibt. Dass die Rosskastanie selbst vom Balkan kommt und mithin kein einheimischer Baum ist, spielt ebenso wenig eine Rolle wie die Tatsache, dass zur Natur mitunter auch gehört, dass sich das ein oder andere Gewächs oder Gefieder von der Landkarte verabschiedet. Geht es um unsere Kastanie, kann nicht sein, was nicht sein darf. Das ist die Botschaft des diesjährigen Baumes des Jahres. Lasst ihn uns retten!

Aus dem Naturschutz wird damit auch ein Gesellschaftsprojekt, eine Art Mitmachaktion, bei der jeder das Seine beizutragen hat. Bislang nämlich hilft nur Laubsammeln beim Schutz gegen die Miniermotte, die in ebenjenem Laub überwintert. Und weil abzusehen ist, dass alle Ein-Euro-Jobs nicht reichen werden, das Kastanienlaub der Republik in die Tonne zu treten, müssen nun auch noch die Freiwilligen ran. So schön kann Bürgerarbeit sein. UWE RADA