„Ich dreh mich gerne um!“

„Marleen“ oder „Ich bin wie du“ heißen die Klassiker von Marianne Rosenberg. Sie hat sie wieder lieb – wenn auch in neuem Sound. Mit dem jungen Mädchen von damals hat sie Frieden geschlossen

INTERVIEW JAN FEDDERSENund SUSANNE LANG

taz.mag: Frau Rosenberg, Ihre Haare sind jetzt lang und blond, Sie wirken weicher denn je. Die neue Rosenberg?

Marianne Rosenberg: Ja. Weil ich mich optimistischer, vielleicht auch reifer fühle als noch vor Jahren. Wahrscheinlich wollte ich aber einfach mal etwas anderes, Frischeres probieren.

Für immer wie heute? Diesen Namen haben Sie ja Ihrer neuen CD gegeben – Neuproduktionen Ihrer alten Schlager. Oder für immer wie damals?

Heute ist ohne gestern nicht möglich. Da kann man sich gut und gerne noch mal umdrehen und mal gucken: Was war denn da?

Das war mal anders. Da haben Sie sich geweigert, immer wieder die „Marleen“ zu geben.

Ja, ich musste mich abgrenzen. Sonst hätten die Leute nie begriffen, dass ich kein Teenager mehr bin. Jetzt …

mit fast fünfzig …

… fällt alles leicht und macht Spaß. Ich habe mich sehr gefreut, mit jungen Musikern die Songs nochmals aufzunehmen, in die Rolle des jungen Mädchens zu schlüpfen.

Fühlt es sich gut an, dass Ihre Songs zwar nie ganz oben in den Charts waren, aber sich dafür gehalten haben? Viele ihrer Kolleginnen von damals haben sich nicht wie Sie gehalten.

Das ist mir egal. Meine Aufgabe ist es nicht, meine Veränderung zu betrachten, indem ich mich mit anderen vergleiche. Wie sollte ich auch, wenn ich deren Musik nicht für ähnlich halte.

Verleiten die Charts, die Verkaufszahlen, nicht dazu?

Ich achte nicht darauf, wer sich in den Charts bewegt. Das ist für mich kein Gradmesser. Man verbessert sich nicht, wenn man versucht, andere zu übertrumpfen, sondern nur indem man ganz im Song ist, in der Geschichte und ihrer Darstellung. Ehrgeiz ist in der Kunst ein Killer. Hört sich vielleicht arrogant an, aber da steh ich drüber.

Eine wie Gitte Haenning steht Ihnen mit diesem Blick nahe?

Die hat das richtig gut gemeistert. Sie sagt nicht „Igitt, was habe ich vorher gemacht?“, sie ist nicht verbittert, weil sie heute nicht in den Charts ist. Sie kann sich ihrem Repertoire von einst nähern, darüber singen, gepaart mit einer völlig anderen Musik. Das finde ich großartig: tolle Stimme, tolle Frau.

Was glauben Sie, wie hören heute die Jüngeren Ihre neu produzierte Musik von damals? Ihr Kind zum Beispiel?

Über mein Kind will ich gar nicht reden. Es gibt Leute, die das benutzen, um Ihre Karrieren zu pushen. Ich will das nicht.

Es geht uns eher um den Altersunterschied.

Meine Tochter ist zwölf. Sie hat meine Musik lange Jahre nicht wahrgenommen. Die Schlagerzeit war ja für mich vorbei. Und ich lebe nicht wie ein Star.

Viele DJs legen heute immer noch Stücke wie „Marleen“ oder „Er gehört zu mir“ auf, um eine leere Tanzfläche voll zu kriegen. Erstaunt Sie das?

Wenn Leute darauf Lust haben, auf und ab hüpfen und „lalala“ singen – gut!

Hatte Ihre Musik eine Botschaft?

Ja, viele haben sich immer gefragt: „Was will die uns mit ihren Texten sagen?“

Und?

Dass an der Grenze der Sprache das Triviale wahrhaftig wird. Liebe kann so wehtun. Das ist das Wahrhaftige. Wie Rosenstolz und ihr Song „Liebe ist alles“. Wenn man liebt, verliebt ist, verlassen wird, wenn man sich in diesen Situationen befindet, die eigentlich die wichtigsten im Leben sind, braucht man sich nichts vorzumachen.

Was bedeutet „Liebe kann so wehtun“ für uns Hörer?

Dass man mit diesem Lied sich seine Gefühle eingestehen kann. Du denkst nur noch: Das trifft genau mich. In dem Moment ist es Wahrheit.

Ist das der Grund, weshalb sich diese Songs so lange gehalten haben?

Ja, sie wurden an die nächsten Generationen weitergegeben. Neulich habe ich auf der Straße Siebzehn-, Achtzehnjährige gesehen, die meine Lieder sangen.

Aber wohl immer mit Ironie.

Scheinbar nur ironisch. Früher waren es diese Platten, nämlich meine, die man mit ins Bett nahm. In den Siebzigern hat man meine Platten hinter denen von Pink Floyd versteckt. Hat sich ja niemand getraut, Marianne-Rosenberg-Platten öffentlich zu würdigen.

Können Sie über die Liebe ironisch reden?

Über echte Liebe? Nein. Über die ganzen Spielereien zwischen Männern und Frauen? Selbstverständlich. Das hat ’ne Menge Ironie in sich. Aber wenn es einen wirklich packt, dann ist man sechzehn und hilflos, egal wie alt man ist.

Wenn Sie mit Ihrem Bewusstsein von jetzt die junge Marianne Rosenberg getroffen hätten, welchen Rat hätten Sie ihr gegeben?

Schwer zu sagen. Es waren doch andere Zeiten. Ich könnte heute kaum erklären, was es damals bedeutet hat, ein Mädchen zu sein. In einer großen Familie wie meiner durften die Mädchen nie all das, was die Jungs durften.

Hatten Sie familiäre Privilegien?

Nein, überhaupt nicht. Alle haben an meiner Karriere gebastelt. Das war nicht nur ich. Da haben alle was dafür getan. Und jeder hat sich so damit identifiziert, dass er sich angegriffen gefühlt hat, wenn in der Schule einer Marianne Rosenberg nicht toll fand. Die kleineren Geschwister und so. Da hat wirklich jeder seinen Beitrag geleistet.

Kein Neid?

Nein, denn es ging ja darum, eine Familiensituation zu verbessern, und das war durch mich möglich. Obwohl ich das damals noch nicht so gesehen habe und auch nicht sehen konnte, war es so.

Und finden Sie das heute in Ordnung?

Klar, das ist völlig legitim, dass meine Eltern diese Quelle auch genutzt haben. Wir waren sieben Kinder. Wir konnten mit dem Erfolg besser leben, jeder hatte sein eigenes Zimmer, es war großartig. Was sollte ich einem solchen Mädchen sagen? Es würde nicht nur um das eine Mädchen gehen, es würde um eine ganze Wohngemeinschaft gehen.

Ist Ihnen emotionaler Familienrückhalt immer noch wichtig?

Familie ist sehr wichtig für mich. Familie kann einen am Boden halten, damit man den Blick für das wahre Leben nicht verliert.

Das war schon immer so?

Ja, ich habe das ganz gut gelernt durch meine Familie. Jeder von uns konnte Musik machen. Daher hielt ich mich für nichts Besonderes. Die Wahl war eben auf mich gefallen, aber es hätte auch mein Bruder Janosch sein können mit seiner wundervollen Stimme.

Der hatte damals ja auch Schallplatten aufgenommen.

Aber davon hat sich nichts bewegt, er ist dadurch nicht erfolgreich geworden. Er war’s einfach nicht. Also war ich es dann, und alle haben mir zugearbeitet.

Haben Sie Musik geliebt?

Oh ja, sehr. Musik machen wollte ich immer. Die Kameras habe ich nie geliebt, aber ich habe es immer geliebt, im Studio neue Songs aufzunehmen, zu sehen, wie sie Gestalt annehmen. Die Öffentlichkeitsarbeit ist mir schwer gefallen. Gesagt habe ich wenig, die Bilder sind fast von alleine entstanden. Die ersten Jahre habe ich nur Ja und Nein gesagt. Ich hasste Interviews. Und ich hatte keinen Freund.

Na und?

Ich musste dann einen erfinden.

Warum das denn?

Damit ich als normal galt.

Worauf sind Sie am meisten stolz?

Ich bin stolz, wie eine Frau stolz ist. Aber ich bin nicht auf etwas stolz. Auf was soll ich denn stolz sein? Stolz finde ich ein komisches Wort. Ich habe ein Lied aufgenommen, das ich hier im Berliner Abgeordnetenhaus gesungen habe, zu einer Zeit, in der mein Vater noch lebte. Das Lied hieß „Trauriger Stolz“. Bei Stolz habe ich eine andere Assoziationskette. Da fällt mir sofort Nationalstolz ein. Alles Schwachsinn.

Anders gefragt: Was ist Ihnen denn rückblickend besonders wichtig?

Früher habe ich immer Bravo gelesen, diesen unsäglichen „Dr. Sommer“, die Charts. Und wenn ich dann da drin war, habe ich mich gefreut.

„Dr. Sommer“ und seine Aufklärungstipps haben doch vielen Jugendlichen geholfen.

Ich fand das alles eher lustig. Mit meinen Geschwistern habe ich das immer gelesen. Wir haben nur gekreischt.

Aus Unsicherheit? So typisches Mädchengegiggel?

Genau.

Sind Sie mit sich heute zufrieden?

Heute an diesem Tag? Ja, das bin ich.

JAN FEDDERSEN, 47, ist taz.mag-Redakteur und bevorzugt den klassischen Phillysound; SUSANNE LANG, 28, tazzwei-Redakteurin, konnte sich auf Anhieb eher mit den neu produzierten Marianne-Rosenberg-Klängen anfreunden