: Von Drachen bis Märchen
Kinder müssen nicht immer sinnvolle Geschenke bekommen. Aber es sollte schon etwas dabei sein, was sie aus der Reizüberflutung des Tages in die Welt ihrer eigenen Bilder eintauchen lässt. Hörspiele und Märchen sind dazu bestens geeignet
VON KATHARINA JABRANE
Haben klassische Märchen ausgedient? Nein. Denn auch in der reizüberfluteten Welt von DVD und Computer werden schließlich Märchen erzählt, allenfalls akustisch und optisch etwas aufgepeppt. Da werden es manche Kinder sicher danken, mal wieder nur Stimmen zu hören – während die Bilder im Kopf entstehen.
Die goldene Märchentruhe
Eine bunte Mischung mit Väterchen „Frost“, „Goldtöchterchen“ und „Die Geschichte Schaddads“ und der Stadt Irem. Der grimmsche „Froschkönig“ ist ebenso dabei wie „Das Nusszweiglein“ oder „Die Perlenkönigin“ von Ludwig Bechstein. Die beiden „Märchenerzähler“ Franziska Pigulla und Friedrich Schoenfelder könnten mit ihren angenehmen Stimmen dabei durchaus am Bett des Kindes sitzen, dem sie die Geschichte erzählen – zum Einschlafen, Gesundwerden oder einfach nur, weil sie so schön ist.
„Die goldene Märchentruhe“, Teil 2, Steinbach, 9,90 €
Kleiner Drache Kokosnuss
Eigentlich wohnt der kleine Drache Kokosnuss mit seinen Eltern auf der Dracheninsel. Aber im Winter fliegen die immer in den Süden, wo es wärmer ist. Kokosnuss kann zwar schon Feuer spucken, aber noch nicht fliegen. Deswegen bleibt er mit seiner Freundin Matilda, dem Stachelschwein, ganz allein auf der Insel zurück. Als dann zwei verirrte Pinguine auf einer Eisscholle ankommen, müssen sie handeln und suchen sich Hilfe beim Yeminee, das beim Weihnachtsmann arbeitet. So bekommen sie vielleicht sogar einen großen Wunsch erfüllt: Der Weihnachtsmann persönlich will auf der Dracheninsel mit ihnen Weihnachten feiern. Besonders jüngere Kinder werden ihren Spaß haben an der Geschichte vom kleinen Feuerdrachen, der über sich selbst hinauswächst.
„Der kleine Drache Kokosnuss feiert Weihnachten“. Steinbach Sprechende Bücher, 9,90 €
Feuerreiter
Löwengebrüll, Gittergerassel, Füßescharren und Fanfarenstöße sind zu hören. Zum Vortrag kommt Schillers Ballade „Der Handschuh“. Doch nicht wie früher in der Schule oder auch nur von einem guten Sprecher vorgetragen klingt das hier. Die Stimme Joachim Kerzels ist vielmehr eingebettet in eine Vielzahl unterschiedlicher Tonspuren, umrahmt und eingehüllt von einer Menge atmosphärischer Hörerlebnisse, auch musikalisch begleitet. So werden die Balladen von Fontane, Mörike und Droste-Hülshoff wieder lebendig und spannend. Den Versen haftet nichts Muffiges und Langweiliges an, eine ganz eigene Dramaturgie lässt den Zuhörer mit einer sonst nur beim Hörspiel gekannten Spannung lauschen. Die „Brück’ am Tay“ fällt den launischen Winden zum Opfer, und man möchte das Fenster fester schließen, um sicher zu sein. Der „Teufel in der Not“ hilft einem armen Bauern beim Fällen der riesigen Eiche, die plötzlich mitten ins Zimmer rauscht. Und wird die „Loreley“ ins Kloster gefahren, so erklingt Pferdegetrappel. Auch größere Kinder werden diesen neuen Zugang sicher zu schätzen wissen – auch wenn sie es nie zugeben würden.
„Feuerreiter“. Audiobuch Verlag, 16,90 €
Schlechte Nachrichten
Bereits nach zehn Minuten ist klar: Diese CD muss man unbedingt kaufen, verschenken, sich selbst zu Weihnachten wünschen. Vorausgesetzt, der Käufer, Beschenkte oder Wünscher hat eine Vorliebe für britischen Humor, Nonsense, Harry Rowohlt und Eddi Dickens. Wenn nicht, könnte dieses brillante Hörwerk genau diese hervorbringen. Im dritten Teil der Eddi-Dickens-Trilogie geht es am wenigsten um die eigentliche Geschichte, denn immer wieder müssen alle möglichen anderen Dinge erklärt und betrachtet werden. Dabei soll Eddi doch nur nach Amerika reisen, um sich persönlich vom Zustand der Schlechten Nachrichten, einer Zeitung seines „Wahnsinnigen Onkels Jack“, zu überzeugen. Verraten sei vorab: Er kommt nie an. Zwar sollte Lady Constance, „ein wandelndes Paar Nasenlöcher“ und „mopshässlich“ ihm als Reisegouvernante zur Seite stehen, da alle seine Verwandten dazu nicht in der Lage sind, doch ist die nicht sehr an seiner Unversehrtheit interessiert, sondern trachtet ihm im Gegenteil nach dem Leben. Eddis „Noch Wahnsinnigere Tante Maud“ schmuggelt sich allerdings nebst Malcolm, dem ausgestopften Wiesel, in das sie unsterblich verliebt ist, im Koffer an Bord des Schiffes und treibt dort als vermeintliches Seeungeheuer ihr Unwesen. Eddi fragt sich nicht ohne Grund, ob eigentlich irgendjemand auf der Welt eine normale Familie hat oder ob alle Verwandten so bescheuert sind. Harry Rowohlt erzählt die Geschichte von Philip Ardagh so spontan, als wäre sie ihm gerade eben selbst eingefallen – was nicht verwundert, schließlich ist er auch der Übersetzer.
Ph. Ardagh: „Schlechte Nachrichten“. Random House, 15 €
… noch mehr Balladen
Wie war das noch gleich mit „John Maynard“? Genau, der Steuermann lenkte das brennende Schiff ans rettende Ufer und überlebte als Einziger das Unglück nicht. Dafür ehrte die Stadt ihren tapferen Sohn, wie wir aus der Ballade von Theodor Fontane erfahren, hier vorgetragen von Otto Sander. Egal ob man eigene Defizite ausbügeln und noch einmal nachhören oder den lieben Kindern endlich einmal das geballte Kulturgut zu Gehör bringen möchte, die schönsten deutschen Balladen sind ein lohnendes Geschenk. Neben Stücken wie „Erlkönig“ und „Der Zauberlehrling“ von Goethe, Schillers „Lied von der Glocke“ oder „Die Bürgschaft“ und Chamissos „Das Riesenspielzeug“ steht so Launiges und Leichtes wie Hermann Löns’ „Abendlied“, das kein Geringerer als das Ensemble des deutschen Theaters Berlin mit hörbarem Vergnügen zum Besten gibt. Insgesamt 85 Balladen fanden Platz auf vier CDs.
„Die schönsten deutschen Balladen“. Patmos, 4 CDs, 22,95 €