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Archiv-Artikel

Pilgerort und Touristenattraktion

Alternative Touris fahren nun ins südindische Gokarna. Goa, in den 60er-Jahren ein Insidertipp unter Hippies, ist out. Es ist zwar für seine Techno- und Trance-Partys heute auf der ganzen Welt bekannt, aber die Karawane zieht weiter

VON CARMELA MUDULU

Goa, der Insidertipp unter Hippies, hat dem Touristenboom Platz gemacht. Wären da nicht die indischen Händlerinnen, die ihre Ware an den Stränden verkaufen, könnte man glauben auf Ibiza zu sein. Immer mehr alternativ Reisende weichen deshalb in den angrenzenden Bundesstaat Karnataka aus. Sie gehen nach Gokarna. Die Ortschaft liegt am Arabischen Meer und spielt im Glauben der Hindus eine wichtige Rolle. Im Haupttempel steht ein so genannter Ghoti-Lingam. Dem hinduistischen Glauben nach wurde er vom Gott Shiva als Zeichen seiner Präsenz erschaffen. In ganz Indien gibt es nur zwölf davon. Von jeher pilgern Gläubige an den Ort an der Südwestküste. Mittlerweile nehmen auch die BesucherInnen aus dem Westen zu. Sie werden nicht von der Spiritualität angezogen, sondern vom Meer und dem alternativen Leben.

Gokarna wird unter den Indienreisenden wegen seiner Ursprünglichkeit gepriesen. Es sei so, wie Goa früher war, schwärmen einige. Oder wie es der Italiener Gennaro ausdrückt: „Gokarna ist mehr hippie als Goa.“ Was er damit meint: kaum Touristen, schlichte in Strandnähe gelegene Behausungen. In der Regel sind es Mini-Lehmhütten mit einer Matratze drin. Eine Toilette reicht für mehrere Personen, ansonsten bietet die Natur genügend Platz für die alltäglichen Erleichterungen. Die Buchten Kudle-, Om- und Paradise-Beach liegen weitab von der Ortschaft, da kommen schon fast Robinson-Gefühle auf. Wer mehr Komfort möchte, kann sich im Zentrum ein Zimmer mit Bad in einem Guest-House nehmen.

Gokarna wird auch wegen seiner Ruhe geschätzt. Keine nächte- oder sogar tagelangen Partys mit einer Lautstärke, die kilometerweit zu hören ist. Gokarna ist die Alternative für diejenigen, denen Goa zu laut, zu touristisch oder einfach zu teuer ist. Wer durch die Hauptstraße spaziert, dem fällt die Mischung aus Pilgerstätte und Touristenattraktion sofort ins Auge. In Tempelnähe stehen die Stände mit religiösen Utensilien. Blumen, Kokosnüsse und Puffreis werden als Gabe für die Götter verkauft. Läuft man stadtauswärts, tummeln sich zur Saison Geschäfte, die unter anderem Kleider, Lampen und Taschen den unzähligen Touristen anbieten. Für die EinwohnerInnen Gokarnas ist es nicht einfach, den Mittelweg zwischen Tourismus und Pilgerstätte zu halten. Vor allem seitdem Gokarna in jedem Reiseführer zu finden ist. Einerseits bringt der Tourismus den Einheimischen Geld, andererseits möchten sie aber auch Ruhe und Ursprünglichkeit bewahren.

Unerwünscht sind auch die Drogen-Touris aus Goa. Denn der Bundesstaat ist nicht nur für seine Partys bekannt, sondern auch für die Drogen, die die Partysüchtigen einnehmen. Erlaubt sind sie nicht, doch sorgen Restaurantbesitzer und Partyorganisatoren dafür, dass die BesucherInnen in der Regel in Ruhe gelassen werden. „Vor etwa neun Jahren kamen viele Touristen aus Goa zu uns, weil die Polizei zu viele Razzien machte“, erinnert sich Ananda. „Die Restaurantbesitzer in Goa bestechen heute die Polizei, damit sie ihre Gäste in Ruhe Haschisch rauchen lässt.“ Diego aus Italien erschrak zuerst, als beim Eintritt in eine Disko ein uniformierter Türsteher in seinen Rucksack schaute. Schließlich bewahrte er dort neben Wasser auch etwas Haschisch auf. „Das Wasser durfte ich nicht mit reinnehmen“, erzählt er. Der Rest war den Aufpassern egal. Es werden auch harte Drogen konsumiert, wie zum Beispiel Ketamin oder Heroin. Da kommt es auch zu Ausfällen: Am vergangenen Weihnachten erstach ein Engländer seine Freundin. Kurz darauf setzte sich ein Italiener den goldenen Schuss.

Die EinwohnerInnen Goas wissen, dass sie den Tourismus nicht nur der wunderschönen Landschaft zu verdanken haben, sondern vor allem dem möglichen Drogenkonsum. Toleriert wird das, weil es Geld bringt.

In Gokarna sieht das noch anders aus: Wer in der Ortschaft Urlaub machen möchte, muss sich erst mal bei der Polizei registrieren lassen. Gerade abends wird an den Stränden kontrolliert, ob irgendwelche WestlerInnen beim Meeresrauschen Chillum rauchen. An den eher entlegenen Buchten Kudle- oder Om-Beach kommen sie aber seltener hin. Dort steigt dann auch eher mal eine Party, so heißt es wenigstens in Insiderkreisen.