Uncoole Lesben, moderne Schwule

betr.: „Wie lesbisch ist Deutschland?“, taz vom 10. 11. 04

Nicht die Lesben sind langweilig, sondern die Vorstellungen und Vorurteile über sie, denen offensichtlich auch die Verfasserin des Artikels frönt, sind es. Vielleicht hat ja das Bild der Lesbe, die Männer kastriert und unschuldige Heteras verführt, endlich ausgedient. Dass nur „Uncooles“ an seine Stelle getreten ist, ist weniger ein Indiz dafür, dass „Lesben in der Opferrolle verharren“. Es spricht eher für die Ratlosigkeit der vielen, die sich immer noch nicht vorstellen können, dass Frauen auch ohne Männer die ganze Vielfalt des Möglichen leben können. GESA INGENDAHL, Tübingen

Auch ich als schwuler Mann um die 50 empfinde seit 20 Jahren Lesben unverändert als anstrengend, humorlos und unattraktiv. Uncool empfände ich eher noch als geschmeichelt. Selbst diejenigen, die in den 70er-Jahren noch in der Mache waren, plappern die Sprüche aus jener so feminismusbewegten Zeit nach, die sie selbst nie erlebt haben, und übersehen dabei, dass die gesellschaftliche Entwicklung mittlerweile 30 bis 40 Jahre weiter ist.

Da haben schwule Männer die letzten 30 Jahre für die Entwicklung eines modernen Selbstbewusstseins wahrlich besser genutzt und zudem eine moderne, gut funktionierende, umfassende und allseits – auch von Heteros – anerkannte Infrastruktur aufgebaut. Und warum die Lesben nicht? Weil sie seit 30 Jahren ununterbrochen damit beschäftigt sind, ihre Opferrolle in Stein zu meißeln, Männer (selbst schwule) per se als Feinde zu definieren und dann unentwegt darüber Klage zu führen, dass es „das Patriarchat“ sei, von dem sie ständig unterdrückt würden. Mir kommen die Tränen. Ich kann nur sagen: Guten Morgen, Lesbendeutschland, versucht es mal mit mehr Charme, Schwung und Selbstbewusstsein – und anständigen Klamotten! HANS DANIELKEWITZ, München

Ich kann nicht verstehen, warum in dem Artikel uns wieder die USA als leuchtendes Beispiel vorgehalten werden – ein Land, in dem gerade große Bevölkerungsanteile direkt oder indirekt gegen den Abbau von Diskriminierungen Homosexueller gestimmt haben. Auch Deutschland hat seine offen lesbische Komikerin (Hella von Sinnen), Sängerin (Marla Glen) oder Sportlerin (Judith Arndt). Dass es vielleicht ein paar weniger sind als in den USA, lässt sich auch wahrscheinlichkeitstheoretisch mit der geringeren Bevölkerungszahl als in den USA erklären. Hinzu kommt im Vergleich zu den Schwulen auch der viel geringere Anteil von Frauen in Führungspositionen.

Dass es im DFB-Herrenzirkel immer noch unvorstellbar ist, dass sich Nationalspielerinnen outen, ist ein Problem eben jenes Zirkels. Aber der Druck, der durch den drohenden Rausschmiss auf die finanziell sowieso nicht auf Rosen gebetteten Spielerinnen ausgeübt wird, ist enorm. Und viel existenzieller als er für einen beliebigen männlichen Nationalspieler oder sogar Bundesligaspieler wäre, der finanziell viel besser abgesichert ist. Trotzdem gibt es nicht einen offen schwul lebenden Profi in Deutschland. Dies den Lesben vorzuhalten halte ich für eine Frechheit.

Besonders schmunzeln musste ich, als Ole von Beust und Klaus Wowereit als positive Identifikationsbeispiele für Schwule angeführt wurden. Beide haben sich erst dazu bekannt, als es von anderen öffentlich gemacht werden sollte (Beust) bzw. drohte vom politischen Gegner ausgenutzt zu werden (Wowereit). Über solches Outing kann ich nur lachen, das hat wenig mit selbstbestimmter Lebensweise zu tun. VRONI RETZER, Marburg

Die Autorin beobachtet, dass Lesben im gesellschaftlichen Leben unterrepräsentiert seien – und in dieser Hinsicht gebe es keinen Unterschied zwischen homo- und heterosexuellen Frauen. Ich nicke beifällig. Machtpositionen und Öffentlichkeit sind nach wie vor männlich besetzt. Macht und Präsenz wiederum bestimmen das Image. Lesben fehlt eine gewisse Großkotzigkeit. Statt in die einflussreichen Ehrenämter zu drängen, wollen sie einfach unter sich bleiben.

Den Grund dafür sieht die Autorin im „Differenzfeminismus“ und im Opferstatus, den dieser Ansatz innehabe. Das wiederum halte ich für Quatsch! Der Differenzansatz im Feminismus betont die Unterschiedlichkeit der Geschlechter und hat mit dem Separatismus der Lesben nichts zu tun. Alice Schwarzer, von der Autorin als wichtige Akteurin genannt, ist keine Verfechterin der Differenzphilosophie – sie steht für den Gleichheitsansatz. Die Alleingänge der Lesben haben mit ihrem Autonomiebedürfnis und mit mangelndem Ehrgeiz zu tun. Ersteres ist der langen Einübung durch die autonome FrauenLesbenbewegung geschuldet; Letzteres vielleicht auch. Oder auch einer begründeten Skepsis gegenüber Queer & Co.

Wenn Lesben ein Imageproblem haben und als übellaunige Langweilerinnen gelten, frage ich mich: Wer findet das eigentlich? Wer ist der Maßstab: Hollywood? Werbefuzzis? Partyschickeria? Wowi? Immerhin: Lesben machen sich ja schon selbst Gedanken über ihr Image, denn wer will schon als graumausig gelten? Es gibt Initiativen für die Änderung der Fremdwahrnehmung und außerdem eine Lesbenumfrage im Netz. Alles wird gut. Repräsentanz ist einfach eine Frage des richtigen Stylings. CAROLINA BRAUCKMANN, Köln

betr.: „Wie erklär ich es meinen Kindern?“, taz vom 10. 11. 04

Transmänner sind keine „geschlechtsumgewandelten Lesben“. Transmänner können sich mit dem ihnen bei der Geburt zugewiesenen weiblichen Geschlecht nicht identifizieren. Die einen definieren sich selbst als transsexuell, manche wählen für sich andere Transgender-Lebensweisen jenseits eindeutiger Geschlechtszuordnungen. Mit (früherer oder aktueller) sexueller Orientierung hat das nichts zu tun! Manche Transmänner haben einmal als Lesben gelebt, manche nicht (vgl. zum Beispiel www.transmann.de).

Und wer sind die „echten Lesben“, die Transmänner misstrauisch beäugen? Gibt es für „echte Lesben“ ein Zertifikat? Eine Aufnahmeprüfung? Und wird dabei gefragt, ob die Kandidatin sich mal mit einem Transmann eingelassen hat …? Auch Dragkings (sozusagen die Brüder der Dragqueens) müssen keine Lesben sein. Sie müssen nicht mal Frauen sein: Auch in der Dragking-Szene haben Transgender ihren Platz, und die Übergänge zwischen Dragkings und Transmännern sind fließend. Manchmal auch die zwischen Dragking und Dragqueen … (vgl. www.dragkingdom.de). Erklären Sie bitte Ihren Kindern, dass Geschlecht relativ ist. JANNIK FRANZEN, Berlin

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