Socken in der Hose

So schön kann Propaganda sein: Die Kunsthalle zeigt Dürers kaiserliche Holzschnitte

Niemand weiß, ob sich der amerikanische Präsident Socken oder einen Dildo in die Hose gestopft hatte. Aber dass die Beinkleider ausgebeult waren, als er auf einem Flugzeugträger im persischen Golf landete, war im Fernsehen deutlich zu sehen.

Auch Renaissance-Potentaten brauchten Bilder der Potenz, verfügten aber weder über Kameras noch Dildos. Zwecks stilsicherer Verehrung band Max I. (1459-1519) daher Albrecht Dürer (1471-1528) an sich: Der Meister und seine Werkstatt fertigten herrlich opportune Kolossal-Holzschnitte für den Habsburger. So den „Triumphwagen“, zwölf Rosse im Gespann, 2,30 Meter lang, mit Sonne überm Herrscherhaupt und extra-langem Szepter. Jetzt ist die Kaiser-Propaganda in der Kunsthalle zu bewundern – atemberaubend schön.

Dürer ist der umstrittenste aller Künstler. Ein ewig sprudelnder Brunn ergötzlichen Zanks: Die Ehrenpforte. Um 1517 vollendet, zeigt sie den in Troja wurzelnden Stammbaum des Herrschers. Und Schlachten, bei denen er mit sichtbaren big balls auf dem Flugzeugträger gelandet wäre, wenn’s schon Fernsehen gegeben hätte. Wer bei diesen über 50 Bildfeldern Einzelzuweisungen vornimmt, fühlt sich als Hahn auf dem Hof der Kunstgeschichte. Drum wird in Dürer-Katalogen stets gerechtet, die Hälfte welchen Haares von des Meisters Hand stammt. Was dann die nächste Publikation gallig zurückweist. Gerade bei gegebener zeit-räumlicher und thematischer Nähe: Auch Osnabrück feierte Dürers 485. Todesjahr per Ausstellung. „Grundsätzlich abzulehnen“, schreibt drum der in Bremen kuratierende Matthias F. Müller, sei „der Vorschlag (siehe Osnabrück 2003, 35), der Triumphbogen sei aus älteren Bestandteilen hervorgegangen“. Steht zwar nicht in „Osnabrück 2003, 35“. Aber heutzutage darf sich ja auch jeder Socken in die Hose stopfen. bes

Kunsthalle, bis 18. Januar.