: Der VBB erhöht die Ortskenntnis
Ab 1. April soll ein Einzahlfahrschein 20 Cent billiger werden, aber nur noch für Fahrten auf direktem Weg gelten. Der ist in vielen Fällen Definitionssache. Fahrgäste mit guter Linienkenntnis kommen weiter. Der Rest muss kräftig draufzahlen
VON RICHARD ROTHER
Es hat ein Ende: das Zwei-Stunden-Nahverkehrsticket, um das viele Großstädter weltweit die Berliner beneiden, weil man damit nach Belieben hin und her fahren kann. Für im Schnitt 1,4 Fahrten ist diese Fahrkarte bislang genutzt worden, kolportiert der Fahrgastverband Zahlen eines Verkehrsunternehmens. Der Ersatz ab 1. April: eine Fahrkarte, die etwas billiger ist, man darf sie aber nur für eine Tour benutzen, um auf „dem direkten Weg“ von A nach B zu kommen, wie eine Sprecherin des Verkehrsverbundes (VBB) betont. Absurd: Wer die Ringbahn benutzt, fährt demnach künftig etwa nach der Hälfte des Kreises auch ohne umzusteigen und trotz Ticket schwarz.
Das Ganze dürfte die Fantasie der Fahrgäste anregen, die dennoch hin- und zurückfahren wollen. Die Berliner seien dabei recht einfallsreich, war sich Verkehrssenator Peter Strieder gestern jedenfalls sicher.
Also los! Klar ist: Wer außerhalb der Innenstadt wohnt und zum Einkaufen oder für Ämtergänge ins Zentrum will, hat schlechte Karten – oder anders gesagt: zwei. Eine für den Hin- und eine für den Rückweg.
Aber es gibt Hoffnung, unzählige denkbare Grenzfälle! Dabei kommt es nicht nur darauf an, im Falle einer Kontrolle das komplette Liniensystem im Kopf zu haben, sondern auch überzeugend und je nach Kontrollpunkt logisch zu argumentieren.
Beispiel eins: Wir fahren vom Schlesischen Tor nach Rudow, müssen aber noch kurz zur Postbank-Zentrale an der Möckernbrücke. Das künftige Ticket reicht dafür aus: Die erste Teilstrecke ist mit der U1 kein Problem. Nach dem Postbankbesuch nehmen wir die U7 Richtung Rudow. Werden wir vor dem Südstern kontrolliert, argumentieren wir, den umsteigefreundlichen (nur ein Linienwechsel) Weg zum Südstern zu nutzen. Auch ab Hermannplatz gibt es kein Problem: Wir sind wieder auf direktem Weg. Einzige Argumentationslücke: Zwischen Südstern und Hermannplatz fällt es schwer, zu behaupten, auf direktem Weg zu sein. Man sitzt in der „falschen Richtung“. Die Lösung: Wir behaupten, eigentlich am Südstern aussteigen zu wollen, aber die Station gerade wegen einer interessanten Zeitungslektüre verpasst zu haben. Fazit: Das Risiko ist kalkulierbar.
Beispiel zwei: Wir wollen vom U-Bahnhof Eberswalder Straße zum Hackeschen Markt und zurück. Zur besseren Argumentation meiden wir die Tramlinien, denn die fahren zu direkt. Stattdessen nimmt man die U2 bis Alex und von dort die S-Bahn. Nach dem Einkauf am Hackeschen Markt laufen wir zum U-Bahnhof Weinmeisterstraße und nutzen die U8 Richtung Norden. Kritisch ist nur eine Station bis Rosenthaler Platz. Danach lässt sich behaupten, mit der Tram bis zum „Rosi“ gefahren zu sein, um nicht so oft umsteigen zu müssen. Ab Bahnhof Bernauer Straße müssen wir leider zu Fuß zur Eberswalder zurücklaufen. Fazit: Die Fahrt ist zeit- und nervenaufwändig, aber billiger als bisher.
Insgesamt aber bleibt: Hin- und Rückfahrten mit einer Karte werden schwierig bis unmöglich. Der Fahrpreis verdoppelt sich im Vergleich zur bisherigen Regelung. Der Fahrgastverband IGEB fordert daher: das bisherige Ticket neben dem neuen One-Way-Ticket beizubehalten.