DIE WERBEPAUSE: ATOMLOBBY

Die weißen Buchstaben auf roter Fläche fallen ins Auge. Sie stecken in einem Gratispostkartenhalter im Vorraum einer Restauranttoilette. Auf einem kleinen Stück Pappe, gleich unter dem Fach mit den Ostergrüßen vom Paketversand.

„32 ist doch kein Alter!“ steht auf diesem recht schlicht gestalteten Werbeträger. Wahrscheinlich fällt der gerade Frauen um die dreißig auf. Die nämlich hören beziehungsweise lesen diese Botschaft gern. Für nicht wenige von ihnen ist „Alter“ ein fieses, bedrohliches, dreckiges Wort. Männer sollten das wissen, tun sie aber nur selten. So kann man ziemlich sicher davon ausgehen, dass sich die Karte vorm Klo eher an sie als an ihn richtet. Kein Wunder also, dass der Verfasser dieser Karte das Deutsche Atomform e. V. ist. Denn für viele Frauen ist auch „Atom“ ein fieses, bedrohliches, dreckiges Wort, weshalb die entsprechende Lobby in Deutschland sich nun verstärkt dem Störfall Frau widmet (taz berichtete).

Nun begegnet das Atomforum dem für ihn misslichen Umstand, dass eher Frauen als Männer Atomkraftgegner sind, mit einer platten Charmeoffensive. Mit 32 – so alt seien unsere AKWs so ungefähr, ginge man doch nicht in Rente, behauptet die Rückseite der Karte und fordert Laufzeiten von bis zu 60 Jahren. Unvorstellbar, wie viel CO2 damit eingespart werden könnte. Unendlich viele Tonnen! Die generell altersscheuen Frauen sollen das verstehen. In gewisser Weise sind ja auch sie Energiebündel, humane Kraftwerke, die strahlen wollen und sollen.

Nur weil wir Frauen tatsächlich daran glauben wollen, dass es einen Unterschied zwischen Tages-, Nacht- und Handcreme gibt, dass es wirklich etwas nutzt, Hylaronsäure und Koffein ins Gesicht zu schmieren, Salz aus dem Toten Meer, Zitronengras-Bodylotions und Algen gegen Orangenhaut, sind wir so treudoof noch lange nicht.

Den Unterschied zwischen unseren harmlosen Eitelkeiten und einer gefährlichen Technologie begreifen wir sehr wohl. Vielen Dank aber, liebe Atomlobby, für das Bedienen der Ersteren. Und das auf relativ lustige Art und Weise. Nützen wird es hoffentlich nichts. NATALIE TENBERG FOTO: ARCHIV