: Die ökonomische Logik des Friedrich Merz
Wenn Berlin die EU-Sparauflagen nicht erfülle, werde die Steuerreform blockiert, so hatte die Union lange gedroht. Nun mildert sie den Ton
BERLIN taz ■ Am Montag – vor der Entscheidung in Brüssel – hatte die CDU noch lautstark verkündet: Sie werde dem Vorziehen der Steuerreform nur zustimmen, wenn die Regierung sich zum EU-Stabilitätspakt bekennt und sich den Sparauflagen von EU-Kommissar Pedro Solbes beugt. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Friedrich Merz wurde gar pathetisch: Er erwarte, dass die EU hart bleibe, sonst sei dies „ein nachträglicher Verrat an der D-Mark“.
Gestern – nach der Entscheidung – klang das Gedonner schon sehr viel schwächer: Der Beschluss der Finanzminister, Deutschland gegenüber doch noch mal ein Auge zuzudrücken, mache „das Zustimmen zum Vorziehen der Steuerreform eher schwerer als leichter“, so der weichgespülte Kommentar des Haushaltsexperten der CDU, Dietrich Austermann.
Ohnehin sei die Steuerreform nur ein Teil der Haushaltspolitik, so Austermann gestern zur taz. Union und FDP sind aber mit dem gesamten Haushaltsentwurf unzufrieden und wollen den Entwurf deshalb in der Abstimmung am Freitag stoppen. Darüber hinaus will die Opposition die unionsgeführten Bundesländer dazu bringen, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Begründung: „nicht absehbare Risiken im Etat von Eichel“.
Die Entscheidung der EU-Finanzminister zugunsten von Hans Eichel lehne die CDU ab, weil sie „immer schon“ fürs Sparen plädiert hat. Erstens dafür, das Brüsseler Defizitkriterium durch Sparen einzuhalten. Und zweitens dafür, die Steuerreform nur dann vorzuziehen, wenn sie durch Einsparungen gegenfinanziert wird. Höchstens 25 Prozent dürften durch Neuverschuldung abgedeckt werden, so Austermann.
Dass die CDU zu den Sparvorschlägen der Regierung – der drastischen Kürzung von Eigenheimzulage und Pendlerpauschale – weitgehend Nein sagt, ist für die Christdemokraten selbst offenbar kein Widerspruch. Wohl aber für die Grünen. Deren haushalts-, finanz- und europapolitische Sprecher schimpften gestern unisono: „Auf der einen Seite blockiert die Opposition im laufenden Vermittlungsverfahren jegliche Sparanstrengungen, auf der anderen will sie den deutschen Musterknaben in Sachen Sparen spielen.“ Eigene Sparvorschläge seien „Fehlanzeige“.
Austermann hält dagegen, die CDU sehe sehr wohl Sparpotenziale: Etwa beim „Tortentreffen“ in Stade, mit dem Umweltminister Trittin den Atomausstieg feierte. Oder beim Skandal um Arbeitsamtchef Florian Gerster, der eine Millionensumme für eine Medienkampagne ausgibt. Oder bei dem Plan der Regierung, 2.500 neue Stellen im öffentlichen Dienst zu schaffen. „Wenn man das addiert, kommen einige 100 Millionen Euro zusammen.“ In einer eigenen Streichliste sei die CDU auf die 4 Milliarden Euro Einsparungen gekommen, die Währungskommissar Pedro Solbes von Deutschland fordert. Darin schlägt sie unter anderem vor, Verwaltungskosten um 10 Prozent zu senken – schon alleine das brächte angeblich Einsparungen von eineinhalb Milliarden Euro.
Wäre Fraktionschef Merz bei seiner Ankündigung geblieben, der vorgezogenen Steuerreform nur dann zuzustimmen, wenn Hans Eichel sich den Solbes-Vorgaben beugt – er wäre damit einer ganz eigenen ökonomischen Logik gefolgt: Denn mit dem Vorziehen der nächsten Stufe der Reform verzichtet die rot-grüne Regierung früher als geplant auf Einnahmen. Damit würde es nur noch schwieriger, die von Brüssel geforderten Einsparungen zu schaffen. Offenbar glaubt die CDU aber, dass beides möglich ist, wenn nur genügend gespart wird.
Die Regierung hingegen glaubt, dass beides nicht zu schaffen ist, dass die Steuersenkungen aber schnell zu einer Belebung der Konjunktur führen werden. So schnell, dass die Neuverschuldung dann schnell wieder unter die Defizitgrenze gedrückt werden könnte. Das Wirtschaftswachstum, das mit der Reform wieder in Gang käme, werde dafür ganz von selbst für sorgen.
KATHARINA KOUFEN