: Aufruhr an Arafats Sarg
Schlägereien und Verspätungen bei der Trauerfeier in Kairo, Massenandrang und Schießereien bei der Beerdigung in Ramallah: In Arafats Beisetzung spiegeln sich die Emotionen des Nahen Ostens
RAMALLAH/KAIRO afp/taz ■ Es war ein Trauertag, der Jassir Arafats chaotischem Leben entsprach. Die Trauerfeier für den Palästinenserpräsidenten gestern in der ägyptischen Hauptstadt Kairo war von Auseinandersetzungen am Flughafen begleitet, als Politiker und Journalisten, Staatsgäste und Sicherheitskräfte aneinander gerieten. Wachleute lieferten sich Rangeleien, um ihre jeweiligen Schützlinge heil durch das Chaos zu steuern, und trotzdem kamen die meisten von ihnen zu spät, darunter Bundesaußenminister Joschka Fischer.
Nach den Beileidsbekundungen vor der Moschee des Al-Galaa-Militärclubs am Flughafen von Kairo wurden die sterblichen Überreste Arafats auf einem von Rappen gezogenen Geschützwagen zum militärischen Flughafen gebracht, gefolgt von den Trauergästen aus über 60 Ländern. Eine ägyptische Militärmaschine brachte den Leichnam auf die Sinaihalbinsel, von dort starteten ein ägyptischer und ein jordanischer Armeehubschrauber nach Ramallah; in einem der beiden befand sich der Sarg. In Gaza kletterten hunderte Palästinenser auf ihre Hausdächer in der Hoffnung, wenigstens in der Ferne die vorbeifliegenden Hubschrauber sehen zu können – die Reise nach Ramallah in Westjordanland war ihnen von Israel verboten worden.
In Ramallah selbst übernahm das Volk die Macht. Kurz vor der Landung der Hubschrauber stürmten Zehntausende das Gelände von Arafats abgesperrtem Amtssitz, wo die Beerdigung stattfinden sollte. Ein Berater Arafats appellierte an die Menge: „Die ganze Welt schaut uns im Fernsehen zu, da müssen wir unser wahres Gesicht zeigen.“
Die palästinensischen Sicherheitskräfte reagierten mit Warnschüssen, durch die mindestens drei Palästinenser verletzt wurden. Doch das konnte die Menschen, darunter auch bewaffnete und maskierte Untergrundkämpfer, nicht aufhalten. Es dauerte rund 20 Minuten, bis der Sarg ausgeladen werden konnte.
Als er auf einem Wagen über einen Hof gefahren wurde, drängten sich die Menschen, um ein letztes Mal den in die palästinensische Flagge gehüllten Sarg zu berühren. Trauernde sangen: „Mit unserer Seele, unserem Blut opfern wir uns für dich, Abu Ammar.“
Bei der Beerdigung schüttete der hohe palästinensische Geistliche Taissir Ali Tamimi eigens aus Jerusalem herbeigeholte Erde in das Grab Arafats. Bei Sonnenuntergang befanden sich noch immer tausende im Gebet bei der Grabstätte.