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Archiv-Artikel

Effizienz trifft Willen

Das Spiel dauert 89 Minuten und 50 Sekunden: Dann steht es 2:2 und Leverkusen freut sich über den Punkt

BREMEN taz ■ Noch einmal in Slow-Motion. Weil‘s so schön war, und so wichtig fürs 2:2-Resultat der Partie Werder Bremen gegen Bayer 04: Für die Ecke in der 53. Minute ist der Leverkusener Mittelfeld-Antreiber Jacek Krzynowek rüber auf die rechte Seite getrabt. Am Fähnchen hat er sich den Ball ordentlich vorgelegt, hat zwei Trippelschritte Anlauf genommen und das Leder knapp fünf Meter hoch in den Bremer Strafraum gezogen.

Aber wie hat er das gemacht? Ganz oben, am Scheitelpunkt, wird die Flugbahn tückisch: Wie eine überdrehte Frisbee-Scheibe treibt der Ball im Fallen zwar weiter voran, bewegt sich dabei aber nicht mehr, wie eben noch, ins Feld hinein, sondern, schwerkraftbeschleunigt, Richtung langes Eck. Da streift er Dimitar Berbatovs Kopf. Der gibt ihm den nötigen Impuls, und Bremens Kapitän Frank Baumann steht wie sein Abwehrkollege Valérien Ismaël sinnend dabei: Nach dem Eckstoß führt Leverkusen 2:1. Dabei hatte Bayer erst Anfang der zweiten Halbzeit begonnen, geradlinig Richtung Bremer Tor zu spielen. Und erst vor zwei Minuten den Ausgleich erzielt: In einen Zweikampf an der Strafraumgrenze verwickelt konnte Krzynowek halb stürzend, halb schon sitzend, irgendwie noch an den Elfmeterpunkt passen – wo Andrej Voronin vollstreckte.

Das waren schon die sieben Minuten Powerplay, die Leverkusen für seine zwei Treffer benötigte: Ein Muster an Effizienz, allerdings auch an Genügsamkeit. „Nach der Führung“, monierte später Gästetrainer Klaus Augenthaler, „standen wir wieder zu weit weg vom Gegner“. Die Folge: Der Ausgleich. Immerhin blieb es dabei und die immer noch schwächste Auswärtsmannschaft der Liga durfte sich über den dritten Zähler in der Fremde freuen – diesmal sogar beim amtierenden deutschen Meister. Mehr ging nicht. Denn nach der Schwächephase, die Werder-Trainer Thomas Schaaf in seinem Resümee der mitreißenden Partie als „unerklärlich“ bezeichnete, fand Bremen nämlich zurück zur kräftezehrenden Dauer-Offensive: Pure Willenskraft.

Allerdings brauchten sie für ihre beiden Tore – in der 19. Minute traf Miroslav Klose zum achten Mal in der Saison, den Endstand besorgte Joker Nelson Valdez in der 72. Minute – auch zehnmal so lange wie die Leverkusener. Entsprechend groß war die Empörung, als Schiedsrichter Felix Brych befand, dass das Spiel nur fast 90 Minuten dauert. “Schie-bung, Schie-bung“ skandierten die aufgebrachten Fans, und Werder-Coach Thomas Schaaf griff zu ungewohnten Vulgarismen, bevor er seine frustrierende Hilflosigkeit gegenüber der Gilde der Pfeifenmänner in ein schlichtes Bekenntnis fasste: „Ich mag das nicht.“

Als „Ermessenssache“ verteidigte der Jurist Brych zu Unrecht die Entscheidung. Die Vorschrift, verloren gegangene Zeit nachzuholen, ist verbindlich. Ausdrücklich benanntes Minutengrab sind Auswechslungen: Von denen gab es immerhin fünf in der zweiten Halbzeit. Ein echter Fehler also. Spielentscheidend war er indes nicht. Auf eine der Ursachen der – für Werder unbefriedigenden – Punkteteilung weist die Statistik hin. Spielanteile: Fifty-fifty, das sagt nicht viel. Aber Bände spricht das Eckenverhältnis. „11“ ist da bei den Bremern verzeichnet: Ganz schön stürmisch, heißt das. Aber schwach bei Standards. Zum Vergleich: Bei Leverkusen steht in derselben Rubrik – eine glatte Eins.

BENNO SCHIRRMEISTER