: Ein Fall für Fürst Potemkin
Vorne hui, hinten … – da müssen wir mal schauen: Bei der Sanierung des Überseemuseums werden fünf Millionen Euro eingespart, und zwar dort, wo man’s nicht sieht. Jetzt muss man bloß noch kräftig Werbung dafür machen
Bremen taz ■ Understatement? Ach du meine Güte, nein, das ist lange her. Bremen macht derzeit in Image, ganz massiv und möglichst bundesweit. Und gar nicht einmal so erfolglos: Schon wieder protzt man in der Intercity-Beilage Mobil mit drei Seiten Bremen, obwohl die Stadt dort erst vergangenes Jahr im Zuge hochglänzte. Zu lesen ist diesmal, dass das Überseemuseum „den Sinn und Zweck der Wissenschaft“ vermittele, was ja gar nicht falsch ist. Ganz besonders prima aber: Das Wort verschuldet ist in der Mobil seit Bestehen noch nicht gefallen, und folgerichtig finden auch die Einsparungen in Höhe von fast 5,5 Millionen Euro keine Erwähnung, die jetzt den Umbau des Museums am Bahnhof treffen.
Die Mobil, muss man wissen, ist ein superwichtiges Heft. Journalistisch besehen ist sie zwar so etwas, wie der verlängerte Arm der kommunalen Marketingbüros, und es wird geraunt, dass eine Präsenz dort auch käuflich zu erwerben wäre, was gewiss nicht stimmt. Aber es ist eben auch das einzige Reklameheft, das früher oder später jeder durchblättert. Vorausgesetzt, man fährt Zug und hat einmal Laptop, Buch und Zeitung vergessen. Dann bleibt gar keine andere Wahl, als zu lesen, dass Tom Hanks ein feiner Kerl ist und Bremen eine schöne Stadt, und etwas über Australien gibt’s auch. Das vergisst man zwar alles sofort wieder, aber dafür dringt’s ins Unterbewusste, wo es sich dann festsetzt.
Bremen ist diesmal so schön, weil es 2005 den Titel „Stadt der Wissenschaft“ führt. Es kommen vor: das Science Center Universum, der Fallturm, klar, und wie gesagt: das Überseemuseum. Mit dem schmückt sich Bremen derzeit besonders gerne. Das liegt am Sanierungsprogramm, durch das bis 2010 eine Win-Win-Situation entsteht: Das Museum kann die Sammlung besser präsentieren, weil die Ausstellungsräume moderner werden. Und die Stadt kann kräftig damit klappern, dass man ja etwas tut für die Kultur und entsprechende Agenturen auf die fotogene Ozeanien-Schau ansetzen. Das Gesamtkonzept für die Sanierung hatte der Senat deshalb im Sommer 2003 genehmigt – unter der Auflage, die Kosten deutlich zu reduzieren. Errechnet hatten die Gutachter einen Investitions-Bedarf von 27,2 Millionen Euro.
Marketing-logisch wird jetzt da gekürzt, wo man nichts sieht: Sechs Treppenhäuser, Fenster im Dachgeschoss und Labore braucht das Publikum nicht so dringend. Gespart wird die Summe von 5.405.100 Euro, also „rund ein Viertel“, wie Geschäftsführer Dieter Pleyn sagt, „das geht schon an die Schmerzgrenze“. Vor allem, weil’s wirkt wie ein Komplettverzicht. Das wird zwar von der Verwaltung bestritten, doch die Sanierungsdauer reicht weit über alle Legislatur- und Haushaltsperioden hinaus: Belastbare Zusagen für die Zeit danach lassen sich also gar nicht machen.
Fraglich nur, ob mit den Kürzungen nicht die von der Unesco fixierten Museumspflichten „Sammeln, Forschen, Bewahren und Ausstellen“ aufs populäre Letztere reduziert werden. Pleyn zumindest verneint: „Diese Bereiche“, sagt er, „sind bei uns gleichwertig“. Man könne indes „die Augen nicht vor der allgemeinen Finanzlage verschließen“. Auch das eine PR-taugliche Haltung. Nur muss Bremen die noch neu entdecken.
Benno Schirrmeister