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Archiv-Artikel

Scharfe Kritik an Guantánamo

Britischer Lordrichter bezeichnet US-Gefangenenlager auf Kuba als Fall eines ungeheuerlichen Justizversagens und fordert Verurteilung durch britische Regierung

LONDON/SYDNEY dpa ■ Einer der höchsten britischen Richter hat das amerikanische Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba scharf kritisiert. Lordrichter Johan Steyn sagte am Dienstag, das Lager sei ein Fall „äußerster Rechtlosigkeit“ und ein „ungeheuerliches Versagen der Justiz“. Was die Regierung von Premier Tony Blair bisher für die britischen Häftlinge getan habe, sei absolut unzureichend. Britische Minister müssten das Vorgehen der USA „öffentlich und unzweideutig“ verurteilen. Die als Al-Qaida-Terroristen verdächtigten rund 600 Häftlinge in Guantánamo werden seit Monaten ohne Rechtsbeistand und offizielle Anklageerhebung festgehalten.

„Der Zweck, die Gefangenen in Guantánamo zu internieren, war und ist, sie in einem rechtsfreien Raum, jenseits des Schutzes aller Gerichte festzuhalten“, wurde Steyn vom Fernsehsender Channel 4 zitiert. „Die Frage ist, ob die Qualität der Rechtsprechung, die für die Gefangenen von Guantánamo vorgesehen ist, den internationalen Mindeststandards für ein faires Verfahren entspricht. Die Antwort darauf ist kurz: ein klares Nein.“

Die zwei in Guantánamo inhaftierten Australier sollen im Falle einer Verurteilung ihre Strafen in ihrem Heimatland verbüßen können. Bevor es zu einem Prozess vor einem Militärgericht komme, dürften David Hicks und Mamduh Habib außerdem einen australischen Anwalt und ihre Familien treffen, teilte die australische Generalstaatsanwaltschaft über eine entsprechende Vereinbarung mit den USA gestern mit. Für sie sollen zudem internationale Rechtsstandards wie die Unschuldsvermutung gelten.

Das Schicksal des in Guantánamo inhaftierten Türken aus Bremen ist weiter unklar. Es gibt keine konkreten Informationen, ob der Mann unter den 20 Insassen ist, die die USA jetzt freigelassen haben, sagte sein Anwalt Bernhard Docke. „Die Amerikaner geben Identitäten und Nationalitäten der Freigelassenen nicht bekannt.“