Umweltverschmutzung gegen den Terror

Ein neues Gesetz befreit das MiIitär in den USA von Umweltauflagen. Die Armee muss die Reste ihrer Chemiewaffen nicht entsorgen und darf die Luft stärker verschmutzen. Verteidigungsminister Rumsfeld: Das ist notwendig für die Landesverteidigung

AUS WASHINGTON M. STRECK

Die US-Armee darf schmutziger werden. US-Präsident George W. Bush hat ein Gesetz unterschrieben, das dem US-Militär nicht nur 400 Milliarden Dollar im kommenden Haushaltsjahr überweist, sondern es in Zukunft auch von lästigen Umweltschutz-Auflagen befreit. Seit Monaten hatten die Generäle den Kampf gegen den Terror und die Verteidigung nationaler Sicherheitsinteressen zum Anlass genommen, gegen strenge Restriktionen zu Felde zu ziehen.

Militärstützpunkte werden nun demnächst von Richtlinien zum Schutz gefährdeter Arten ausgenommen. Für die US Navy wurden Regeln zum Schutz von Meeressäugern außer Kraft gesetzt. Sie darf jetzt Sonargeräte einsetzen, deren Frequenzen der Navigation und Kommunikation von Walen und Delphinen schaden. Zudem gelten Bestimmungen zur Luftreinhaltung nicht mehr für die Armee. Und vom Militär verseuchte Übungsplätze müssen nicht mehr wie in der Vergangenheit dekontaminiert werden. Das Verteidigungsministerium benutzt landesweit Militärbasen mit einer Gesamtfläche von rund 100.000 Quadratkilometern. Deren Umweltprobleme sind nach jahrzehntelanger Verschmutzung durch verrottende Munition, Rückstände chemischer Waffen, Lärmbelästigung und Kontamination von Böden, Grundwasser und Küstengebieten gravierend. 130 Militäreinrichtungen müssten nach bislang geltenden Gesetzen komplett saniert werden.

Andererseits sind die oftmals abgelegenen militärischen Sperrgebiete Heimat vieler bedrohter Tierarten. Teure Sanierung und Trainingsbeschränkungen wären notwendig – vielen Militärs ist das schon lange ein Dorn im Auge. Pentagonchef Donald Rumsfeld warnte Kongressabgeordnete wiederholt, dass ohne Ausnahmeregelungen für die Streitkräfte US-Truppen nicht angemessen für den Kampfeinsatz vorbereitet werden können. Der Kongress ließ sich weichklopfen. Dabei hatte das US-Parlament eigens eine Studie in Auftrag gegeben, die klären sollte, inwieweit Umweltstandards tatsächlich militärisches Training beeinträchtigen. Das Ergebnis ist eindeutig und besagt, dass „nur wenige Streitkräfte-Einheiten nicht in der Lage sind, die volle Einsatzbereitschaft zu erreichen“.

Die neue Verantwortungslosigkeit des Pentagons steht im Widerspruch zur langjährigen Praxis. Umweltschäden wurden mit Milliardenaufwand korrigiert und Übungstechniken „umweltverträglicher“ gestaltet. „Das Verteidigungsministerium hat lange vorbildlich gehandelt und gezeigt, dass Umweltschutz und Verteidigungsbereitschaft vereinbar sind“, sagt John Kostyack von der National Wildlife Federation. Doch diese Haltung wird unter Bush und seinen rechtskonservativen Parteifreunden vorerst der Vergangenheit angehören. In Deutschland wurde US-Militär das Verseuchen von Böden mit Uranmunition vorgeworfen. Das bayrische Umweltamt untersuchte deshalb Truppenübungsplätze, stellte allerdings keine Verseuchung fest.