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Archiv-Artikel

Kohleabbau – Drangsal einer ganzen Region

Das Rheinufer sinkt ab. Anwohner fürchten Deichbruch. Grüne fordern: Diese gefährlichsten Zechen müssen weg

BOCHUM taz ■ Am Niederrhein geht die Angst um. „Wir fürchten hier wirklich um unser Leben“, sagt Andrea Michel von der Schutzgemeinschaft Bergbaubetroffener im niederrheinischen Rheinberg. Der Grund: Der Steinkohleabbau durch die Bergwerke West und Walsum – denn deren Flöze liegen direkt unter dem Rhein.

Bei einem durch Bergsenkungen verursachten Deichbruch würde eine ganze Region überflutet. Die Niederterrassen von Xanten im Norden bis Krefeld im Süden liegen bis auf wenige Erhöhungen unter dem Normalpegel des Rheins. Bis zu 350.000 Menschen wären durch die Flutkatastrophe gefährdet, einige Stadtteile von Duisburg stünden bis zu 17 Meter tief im Wasser. Bisher liegt der Rheinberger Annaberg eineinhalb Meter über dem Rheinpegel. Doch er wird mit fortschreitender Auskohlung und anschließendem Zusammenbruch der Flöze um über fünf Meter absinken. „Der Bergbau unter dem Rhein ist schlicht lebensbedrohend“, findet Klaus Friedrichs von der Bürgerinitiative Bergbaubetroffener (BIB) am Niederrhein. Friedrichs hofft auf das Oberverwaltungsgericht in Münster: Das entscheidet morgen in einem Eilverfahren, mit dem die BIB den sofortigen Stopp des Kohleabbaus unter dem Rhein erreichen will.

Gesprächsbereitschaft signalisiert Werner Müller, Chef des Kohle-Konzerns RAG: Da bis 2012 über 17 Milliarden Euro Subventionen fließen, wisse er, dass die Politik „ein Stückchen mit sagt, wo gefördert werden soll“, so der ehemalige parteilose Bundeswirtschaftsminister. Riesiges Konfliktpotenzial bleibt dennoch: Auf völliges Unverständnis gerade bei den kohlekritischen Grünen stoßen Pläne der RAG, über 3.000 neue Bergleute einzustellen – schließlich soll die Zahl der Zechen bis 2012 auf fünf halbiert werden. Ob darunter auch die niederrheinischen Bergwerke West und Walsum fallen, ist aber völlig unklar. RAG-Sprecher Axel Schappei will lediglich die 2006 und 2007 anstehenden Schließungen der Zechen Warndt/Luisenthal im Saarland und Lohberg/Osterfeld in Oberhausen bestätigen. „West und Walsum sind für uns Teil des garantierten Sockelbergbaus“, so Schappei.

Die dürfte auch in den Koalitionen im Bund und in Nordrhein-Westfalen nötig sein: Die Grünen fühlen sich bei der Kohlediskussion nur unzureichend eingebunden. „Der Kanzler verkündet auf dem Steinkohletag neue Zahlen, und weder Kabinett noch wir werden informiert“, so Reiner Priggen, energiepolitischer Sprecher der Landtagsfraktion. „Wir brauchen endlich belastbare Zahlen, um die Standorte auf ein Ende des Bergbaus vorbereiten zu können.“ Die Konsequenz der Grünen Bundespartei: Ein Parteiratsbeschluss von Montag fordert, „besonders fragwürdige Zechen wie etwa Walsum“ als erste zu schließen.

ANDREAS WYPUTTA