Grubenunglück bei SPD und Grünen

Bundeskanzler Schröder beharrt auf seiner Zusage über knapp 16 Milliarden Euro für die Kohle ab 2006. Nach gestrigem Spitzengespräch hoffen die Grünen trotzdem noch auf Änderungen: Die gefährlichen Zechen sollen schneller schließen

aus Berlin MATTHIAS URBACH

Die Krisensitzung der Fachleute der Koalition hatte noch gar nicht begonnen, da legte sich der Kanzler ein weiteres Mal zur Kohle fest. Während der Haushaltsdebatte im Bundestag präzisierte er gestern seine Absicht, die Subventionen langsamer abzubauen: „Im Jahr 2012 wollen wir noch 16 Millionen Tonnen Steinkohle fördern und das werden noch 20.000 Beschäftigte tun.“ Der Abbau der 16.000 Jobs werde – das sei entscheidend – „ohne betriebsbedingte Kündigungen“ stattfinden.

Gestern Mittag dann trafen sich am Rande des Plenums die Minister Jürgen Trittin (Grüne) und Wolfgang Clement (SPD) sowie die Energieexperten der Fraktion. Ergebnis der einstündigen Sitzung: Clement wird aufgefordert, genaue Betriebszahlen für jede einzelne der verbliebenen Zechen vorzulegen. Im Januar will man sich erneut treffen. Bis Mitte 2004 sollen die Details entschieden sein. Die von Schröder versprochenen Mittel sind zwar bis 2008 schon im Haushalt eingeplant – bleiben aber bis zur Einigung gesperrt.

Bereits vor zwei Wochen war Schröder auf dem Steinkohletag in Essen vorgeprescht und hatte sich festgelegt, bis 2012 weitere 15,9 Milliarden Euro in die deutsche Kohle zu stecken – deutlich mehr, als den Grünen lieb ist: Ginge es nach ihnen, wäre 2010 Schluss. Nach Schröders Willen flössen 2012 noch 1,6 Milliarden Euro vom Bund in die Flöze. Heute sind es 2,8 Milliarden.

Trotzdem stellen sie das Kanzlerwort nicht grundsätzlich in Frage. Ihnen geht es nun um die Ausgestaltung der Subventionen: Wenn es schon so viel sein muss, so die energiepolitische Sprecherin der Grünen, Michaele Hustedt, und Fraktionsvize Reinhard Loske gegenüber der taz, dann wenigstens zu grünen Bedingungen. Das heißt, vorrangig sollen die Zechen Walsum bei Duisburg und West bei Dinslaken am Niederrhein geschlossen werden, weil diese die Städte durch Unterhöhlung des Rheins und Absenkung des Bodens besonders gefährden (siehe Text unten).

Auch wollen die Grünen sichergehen, dass wirklich alle Kosten, die für die Kohle anfallen, in den 15,9 Milliarden enthalten sind. Da ist zunächst die so genannte Bugwelle: Ex-Wirtschaftsminister Werner Müller hat in seiner Amtszeit 1,3 Milliarden Euro zu wenig an die Industrie ausgezahlt, dieses Geld ist das Wirtschaftsministerium der Ruhrkohle AG noch schuldig und zahlt Zinsen – ein typischer Schattenhaushalt.

Zweitens hat die Regierung im Mai zugesagt, in den kommenden Jahren Nordrhein-Westfalen jährlich 40 Millionen Euro Subventionen abzunehmen und selbst zu tragen. Drittens kommen noch „Ewigkeitskosten“ auf uns zu: Das sind vor allem Pensionen und die Pumpkosten. Vermutlich muss noch rund drei Jahrhunderte lang das Grundwasser abgepumpt werden, damit keine Siedlung voll läuft – allein das kostet jährlich 100 Millionen Euro.